Trump vs. Biden – das TV-Duell und die Corona-Infektion

Der Wahlkampf in den USA zwischen dem aktuellen republikanischen Präsidenten Donald Trump und dem von der Demokraten-Partei nominierten Joseph “Joe” Biden nähert sich der entscheidenden Phase, die Wahl am 3. November 2020 ist kaum mehr als einen Monat entfernt. Bisher hatten die Kandidaten ihre Verantstaltungen nur vor ihren eigenen Wählern gehalten, in der Nacht vom 29. auf den 30. September trafen sie nun erstmals live im Staatsfernsehen für eine Debatte aufeinander.

Vor dem TV-Duell hatten sich Trump und Biden bereits bei jeder Gelegenheit gegenseitig schlechtgemacht, stets vor Journalisten und nicht direkt. Der ehemalige Vize-Präsident war dabei etwas dezenter und hielt nur kleine Veranstaltungen ab, darauf bedacht mit Maskenpflicht und Mindestabstand niemandes Gesundheit in Gefahr zu bringen. Im Gegensatz hat der derzeitige Amtsinhaber – in Linie mit seiner gesamten Corona-Politik – wie üblich Großveranstaltungen vor seinen Anhängern gehalten, die mehrmals zu neuen Infektionen geführt haben. Für die geringe Anzahl Wähler, die sich noch nicht für einen der beiden Kandidaten entscheiden konnten, sollte jetzt die erste der drei Debatten bei der Wahl helfen. Das Format erwies sich jedoch als ungeeignet, und Umfragen ergeben, dass die meisten Zuschauer vor allem mit einem Gefühl den Fernseher ausschalteten: Sie waren genervt.

Dies ist natürlich vor allem Trump zuzurechnen. Sein Team hatte im Vorhinein den Bedingungen der Veranstaltung zugestimmt, zwei Minuten Redezeit pro Frage und keine Unterbrechungen. Trotzdem war es wenig überraschend, dass der Republikaner seinem Konkurrenten schon bei der zweiten Frage ins Wort fiel und danach nicht mehr aufhören wollte, teilweise mit dem Moderator stritt und bei jedem Thema das letzte Wort haben wollte.
Biden präsentierte sich wesentlich gelassener und hielt sich weitesgehend an die Regeln, gelegentlich konnte er aber nicht anders, als Trump “Shut up!” / “Sei ruhig!” zuzurufen und ihn einen Clown zu nennen. Schon während der Live-Show wurde der Moderator Chris Wallace, welcher einerseits der Demokraten-Partei angehört, andererseits aber für Trumps Lieblingssender Fox News arbeitet, dafür beschuldigt, den Präsidenten nicht unter Kontrolle zu haben, doch es behauptet auch niemand, es besser machen zu können.

So wurde wenig über tatsächliche Inhalte oder Zukunftsvisionen der beiden gesprochen, die Debatte bestand nur aus persönlichen Angriffen, Anschuldigungen und Beleidigungen. Die Leistung des ehemaligen Vize-Präsidenten wird allgemein als okay mit ein paar guten Momenten, aber nicht herausragend angesehen. Trump hat es selbst in den Augen seiner Unterstützer maßlos übertrieben und das Niveau für alle um Längen gesenkt, wobei anzunehmen ist, dass der Bruch mit demokratischen Konventionen für ihn nicht neu und vermutlich geplant und gewollt ist.
Die Debatte war in sechs Themenbereiche unterteilt, schon dass damit angefangen wurde, über die bisherigen Leistungen von Trump und Biden zu sprechen, hat viel Hetze ausgelöst, da wie zu erwarten beide nur den anderen schlechtreden wollten. Der Präsident hält seine bisherigen Leistungen für die besten, die je ein Präsident vollbracht habe, sein Gegner habe laut ihm in seinen 47 Jahren in der Politik nichts geleistet. Dieser hingegen beruft sich darauf, als Obamas Vize-Präsident Trump ein florierendes Land hinterlassen zu haben, welches dieser an die Wand fahre.

Bereits bei der ersten Frage beginnt Trump mit seinem Markenzeichen, Lügen, und über die Dauer der anderthalb Stunden macht er so gut wie ausschließlich flasche Aussagen. Worüber er ungewohnt ehrlich spricht ist sein Wille, Amy Coney Barret noch wenige Wochen vor der Wahl für das oberste Gericht zu nominieren, obwohl sein republikanischer Senat Obama noch lange vor der Wahl in 2016 verbot, einen leeren Sitz zu füllen, da die Wähler entscheiden sollten, wer den Posten auf Lebenszeit vergibt. Diese Nominierung war der Zweite Gesprächspunkt im TV-Duell. Biden warf Trump und seiner Partei Heuchelei vor, da sie es nur tun, um dem Gericht auf lange Dauer eine konservative Mehrheit zu geben, auch wenn sie die Wahl verlieren, was dem letzten Wunsch der kürzlich verstorbenen linkspolitischen Richterin Ruth Bader Ginsburg widerspricht. Diese Mehrheit kann wichtig für Trumps Wahlbetrug werden, da eben dieses Gericht prüfen wird, ob das Ergebnis legitim ist, weshalb die Demokraten sich davor fürchten.

Das dritte Thema war die aktuelle Pandemie, wobei der Demokrat sich darauf konzentriert hat, wie schlecht die Folgen von Trumps Handhabung des Virus sind, während letzterer mit Lügen Angst schüren wollte, dass unter Biden ein zweiter Lockdown noch am Wahltag beginnen würde. Beide ließen hier konkrete Pläne vermissen, was sie nach der Wahl für den Schutz vor Covid-19 tun würden. Auch der Moderator hat hier nicht genauer nachgefragt, und Trump nur davon abgehalten, bereits über die Wirtschaft zu sprechen, da dies der nächste Gesprächspunkt werden sollte.
Als sie schließlich dazu kamen, gab der Präsident mit falschen Zahlen an, wie gut die Wirtschaft unter ihm aussähe, Biden tat es ihm gleich und sprach darüber, wie gut sie unter Obama und ihm noch lief. Wie sie zukünftig aussehen sollte, ließen sie nicht erkennen. Tatsächlich über die Zukunft gesprochen wurde nur, als Chris Wallace nach Klimawandel fragte. Der Republikaner wollte auch nach mehrfachem Drängen des Moderators nicht den menschengemachten Klimawandel anerkennen, erwähnte stattdessen seinen Wunsch, möglichst saubere Luft zu schaffen und an der Waldordnung zu arbeiten, die laut ihm für die vielen Waldbrände verantwortlich sei.
Er kritisierte auch den “Green New Deal” von der demokratischen Kongressabgeordneten Alexandria Orcasio Cortez, welcher angeblich Bidens Plan sei, dieser distanzierte sich klar von den starken Plänen zur Bekämpfung zum Klimawandel und sagte, er werde einen eigenen Plan vorbringen, der weniger koste. Dies unterstreicht nur den Mangel an einem tatsächlich linken Kandidaten seit dem Ausscheiden von Bernie Sanders, selbst Trump machte sich darüber lustig, Biden würde durch diese Aussage linke Wähler verlieren, die aber sonst keine Alternative haben.

Wie unkontrolliert die Kandidaten, vor allem Trump, hier waren, merkte auch der letzte, als Wallace darum bettelte, wieder über Rassismus zu reden, was das fünfte Thema war. Auch hier distanzierte sich der demokratische Nominierte von den Linken in seiner Partei und widersprach dem Vorwurf, er wolle die Polizei schwächen um die durch sie begangenen Verbrechen zu verhindern. Die “Black Lives Matter”-Bewegung hatte dies nach dem brutalen Mord an George Floyd durch einen Polizisten, der schon zuvor aus Rassismus jemanden im Dienst umgebracht hatte, mit riesigen und regelmäßigen Protesten gefordert. Während sich Biden gegen die Linken stellte, machte Trump Schlagzeilen, indem er der rechten Terrorgruppe “Proud Boys” auf die Aufforderung hin, sie zu verurteilen, sagte: “Stand back and stand by!” / “Haltet euch zurück und haltet euch bereit!”
Es wurde beim letzten Thema nicht besser, als über die Umstände der Wahl debattiert wurde weigerte sich der Präsident erneut, zuzusagen, dass er bei einer Niederlage das Ergebnis akzeptieren werde, was Biden ohne Zögern versprach. Stattdessen sähte er erneut mit Lügen Zweifel an der Betrugssicherheit der Briefwahl, welche er aber selbst nutzt. Der demokratische Kandidat schaute hier zum dritten Mal während der Debatte in die Kamera und sprach zu den Zuschauern direkt, um ihnen zu versichern, dass es um ihre Stimme allein geht, und dass jeder so wählen kann, wie es für ihn oder sie am besten passt, egal was Trump behauptet, um sie davon abzuhalten.

Dessen Pläne, die Wahl für sich zu entscheiden, werden derweil nur offensichtlicher: Seine Unterstützer sollen Wahllokale besetzen und Demokraten einschüchtern oder aufhalten, dieses Verhalten nennt er während des TV-Duells sehr löblich und sagt, es sollte nicht unterbunden werden. Die Stimmen der Briefwahl sollen delegitimiert werden, damit sich bei einem Sieg Bidens auf Betrug berufen werden kann, die Grundlage dafür legen die Republikaner schon seit länger. Und falls das oberste Gericht die Wahl prüfen muss, soll die konservative 6:3-Mehrheit, wobei nur einer der neun Richter gelegentlich Seiten wechselt, zu Trumps Gunsten entscheiden.
So klar wie das ist, so unklar sind die Zukunftsvisionen der Anwärter auf das Präsidentenamt geblieben. Trump will offenbar genau so weitermachen wie bisher, ohne klaren Plan und Chaos stiftend, Biden derweil setzt sich für eine Rückkehr in die Zeit vor Trump ein, nichts soll sich fundamental ändern, nur die Etikette wird unter ihm wieder eingehalten, vorwärts gerichtet ist er kaum. In den nationalen Umfragen hat sich der Vorsprung des Demokraten über den Amtsinhaber nach der Debatte etwas vergrößert, die Mehrheit der Amerikaner sieht das TV-Duell jedoch negativ und als Verlust für beide, am meisten als Verlust für die Zuschauer. Nicht viele konnten basierend auf dem, was sie gesehen haben, eine Wahlentscheidung treffen, viele haben mittendrin aus Frustration abgeschaltet.

Es wurde im Nachhinein vor allem viel darüber diskutiert, wie die verbleibenden zwei Debatten vor der Wahl besser gemacht werden könnten, damit sich eine solche Blamage nicht wiederholt. Die Möglichkeit für den Moderator, das Mikrofon eines Kandidaten auszustellen, wurde viel in den Mund genommen. Dieses Problem hatte sich allerdings schnell erledigt, als in der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober Präsident Trump auf Twitter verkündet hat, dass er und seine Frau Melania sich mit Covid-19 infiziert haben. Als Quelle vermutet wird die enge Vertraute der beiden, Hope Hicks, angenommen. Wegen der Erkrankung wird Trump nun nicht an weiteren Debatten teilnehmen können, wie sein Wahlkampf weitergeht und ob er die Staatsgeschäfte weiterhin führen kann ist noch umstritten.
Gerade, da der Republikaner immer auf Großveranstaltungen gesetzt hat, die ihm nun nicht mehr möglich sind, wird es ihm nun schwieriger sein, seine Wähler zu erreichen, viele nennen dies Karma für seine mangelhafte Corona-Politik. Er behauptet selbst, kaum oder gar nicht Symptome zu zeigen, und will die Pflichten des Präsidenten aus der Quarantäne heraus so gut es geht fortführen. Sein Vize-Präsident Mike Pence wurde nach der Bekanntgabe noch negativ auf das Virus getestet, womit dieser im Falle einer Verschlimmerung für den Präsidenten übernehmen könnte. Der Wahlkampf seines Konkurrenten Biden wird hierdurch ebenfalls erschwert. Er steht nun vor der Zwickmühle, ob er seinen Kurs, Trump harsch zu kritisieren, fortsetzen will, obwohl es wegen der Erkrankung als unhöflich erachtet werden könnte. Gerade, da er sich möglichst zivilisiert präsentieren will, was schon auf der Bühne mit seinem Gegner nur mäßig funktioniert hat, ist dies eine komplizierte Lage für ihn.

Einen Monat vor der Wahl sind die Verhältnisse in den USA also so chaotisch, wie man es sich nur vorstellen kann. Der Präsident hat sich zuerst live im Fernsehen mit einer Lawine von Lügen und Beleidigungen selbst für seine Anhänger zu übertrieben offensiv präsentiert und ist nun nach Monaten schlechter Pandemie-Handhabung wie vor ihm seine politisch Gleichgesinnten Bolsonaro und Johnson an Covid-19 erkrankt. Sein Gegner hat Schwierigkeiten, klare Zukunftsvisionen zu formulieren, das Bild des erwachsenen im Raum neben Trump aufrecht zu erhalten und sich zu Plänen zur Verhinderung von Trumps Wahlbetrug zu bekennen. Es ist weiterhin unklar, wie die Machtverhältnisse gegen Ende 2020 sein werden, und das TV-Duell, welches Klarheit hätte schaffen sollen, geht als größte Schlammschlacht aller Präsidentschaftsdebatten in die Geschichte ein.

 

 

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=9HnKFUNlcfY

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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