Regierungschaos in Thüringen

Schon direkt nach der Wahl am 27.10.2019 hatten die Politiker in Thüringen Probleme, eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden. Eskaliert ist die Situation am Mittwoch, den 7.2.2020, als versucht wurde, einen neuen Ministerpräsidenten für das Bundesland zu wählen. Die Überraschung des Tages: Mit Unterstützung von CDU und AfD erlangt der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich eine geringe Mehrheit über den Linken Bodo Ramelow.

In den vorherigen Legislaturperioden hat die Linke in Thüringen als stärkste Kraft regiert, unterstützt durch die Koalitionspartner SPD und Grüne. Dieses Regierungsbündnis konnte in der Wahl 2019 jedoch nicht mehr die Mehrheit erlangen, unter anderem wegen dem Erstarken der AfD und dem Absturz der SPD. Da weder für eine Koalition von Rot-Rot-Grün noch für eine Zusammenarbeit von CDU und FDP genug Stimmen zusammengekommen sind, ist noch immer umstritten, wer nun die neue Regierung bilden soll.
Nachdem die CDU direkt die Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen hat und sich alle einig sind, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, hat sich der letzte Ministerpräsident Bodo Ramelow bereit erklärt, mit SPD und Grünen eine Minderheitsregierung zu stellen. CDU und FDP wollten sich bemühen, mit SPD und Grünen ein eigenes Minderheitsbündnis aufzubauen, um die Linken, welche immer noch stärkste Partei in diesem Bundesland sind, auszuschließen, jedoch ließen sich die beiden schwächeren Parteien nicht darauf ein.

Am Mittwoch fand nun die Abstimmung über den neuen Ministerpräsidenten statt. Die CDU hat zunächst gar keinen Kandidaten aufgestellt und sich größtenteils enthalten, die AfD ließ den parteilosen Bürgermeister Christoph Kindervater gegen Ramelow antreten. In den ersten beiden Wahlgängen hatte der Kandidat der Linken eine deutliche, aber nicht ausreichende Mehrheit. Denn nach der Thüringer Landesverfassung muss der Kandidat eine absolute Mehrheit, also über 50%, nicht nur eine einfache Mehrheit, also die meisten Stimmen, haben.
Erlangt keiner der Kandidaten in den ersten zwei Runden eine absolute Mehrheit, soll im dritten Wahlgang eine einfache Mehrheit reichen. Unter der Erklärung, nicht gegen Ramelow und Kindervater stimmen zu wollen ohne eine Alternative zu bieten, hat die FDP im dritten und entscheidenden Wahlgang ihren Kandidaten Thomas Kemmerich aufgestellt. Die CDU enthielt sich nicht mehr, und die AfD verwarf ihren eigenen Kandidaten, um Kemmerich durchzusetzen. Dieser bekam 45 Stimmen, Ramelow 44, womit der FDPler die einfache Mehrheit hatte und somit zum Ministerpräsidenten gewählt worden war.

Es hat nicht lange gedauert, bis eine große Welle der Kritik losbrach, weil die Wahl Kemmerichs nur wegen Unterstützung der AfD möglich gewesen ist. Kemmerich und auch der Bundesvorsitzende der FDP Christian Lindner gaben sich überrascht über die Unterstützung der Rechten und versuchten, die Wahl zu verteidigen, da man nicht plane, irgendwie mit der AfD zusammenzuarbeiten. Diese Lüge flog schnell auf: Einerseits könnte Kemmerich ohne Unterstützung von entweder der Linken oder der AfD für keine Gesetze eine Mehrheit bekommen. Andererseits enthüllte die Bundesvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, am Folgetag, wie aus Gesprächen hinter den Kulissen bereits hervorgegangen war, dass die FDPler die Möglichkeit einer Wahl Kemmerichs mit Stimmen der AfD in Betracht gezogen hatten.

Auch rechtlich war die Wahl des neuen Ministerpräsidenten umstritten. Zwar wurden die Vorschriften der Thüringer Landesverfassung eingehalten, ob daraus jedoch demokratische Legitimierung hervorgehen kann ist fraglich. Das deutsche Grundgesetz setzt in Deutschland das Demokratieprinzip voraus, wonach nur mittelbar und unmittelbar gewählte Personen Staatsmacht ausüben können. Durch diese Wahlen soll der Funktionär demokratische Legitimierung erlangen, er soll sich auf diese Wahl berufen können wenn er gefragt wird mit welchem Recht er seine Macht ausübt.
Je geringer die Mehrheit bei der Wahl ist, desto schwächer ist entsprechend die Legitimierung. Nicht nur wurde Kemmerich mit nur einer Stimme Vorsprung zum Ministerpräsidenten gewählt, schon bei Thüringens Landtagswahl 2019 erlangte die FDP gerade einmal 5,0005%. Hätte es nicht eine Nachzählung gegeben, wäre die FDP nicht einmal über die 5%-Hürde gekommen und säße somit nun überhaupt nicht im Landtag. Es ist schwierig als Wille des Volkes zu legitimieren, dass ein Kandidat mit so wenig Rückendeckung durch das Volk nun die Regierung des Landes organisieren soll.

Entsprechend hat auch Kemmerich am Donnerstag entschieden, wieder von dem Amt des Ministerpräsidenten zurückzutreten. Ob dies aus eigenem Willen oder unter Druck von Bevölkerung oder Parteiinternen geschehen ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Lustig gemacht wird sich vor allem darüber, dass er für diesen einen Tag im Amt trotzdem die Bezüge des Ministerpräsidenten, etwa 90.000€, in Anspruch nehmen kann.
Und wie es nun für die Regierung weitergehen soll ist so umstritten wie vorher. Die meisten sprechen sich mittlerweile für Neuwahlen aus, gleichzeitig weigern sich aber einige mit der Begründung, nach bald einem halben Jahr brauche Thüringen so schnell wie möglich wieder eine funktionsfähige Regierung, das solle sich nicht durch erneuten Wahlkampf verzögern.

Als großer Gewinner des Wahldebakels wird nur die AfD gesehen, welche in jedem Schritt ihren Willen bekommen hat. Sie kann von der Kritik an ihren politischen Gegnern profitieren und wird bei Neuwahlen vermutlich mehr Prozente bekommen. Auch weil die übrigen Parteien einen Zugewinn der AfD verhindern wollen werden, bleibt es interessant, welche Entscheidungen als nächstes getroffen werden, um dieses Regierungschaos zu lösen.

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=GWCgG8ffsU4

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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