“Klempner der Macht” und die Herabwürdigung der Handwerker

In der Bundestagsdebatte vom Dienstag, den 28.11.2023, nennt CDU-Vorsitzender Friedrich Merz den von der SPD gestellten Kanzler Olaf Scholz einen “Klempner der Macht”, um ihn zu beleidigen. Ein gezieltes Manöver, um ihn vor Presse und Bürgern als ungeeignet für sein Amt darzustellen. Die Bezeichnung folgt nicht aus einem bestimmten Kontext, sondern soll für sich allein stehen. In der darauffolgenden Sprechpause applaudieren alle Bundestagsabgeordneten aus Merz’ Partei lautstark. Sie applaudieren für die Nutzung einer Berufsbezeichnung als Beleidigung.
Diese Herabwürdigung der Klempner, und auch der Handwerker insgesamt, ist nicht nur ein Erzeugnis von Merz’ Elitismus, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Der Mangel an Nachwuchsarbeitskräften in den meisten Handwerkerberufen resultiert zumindest anteilig aus der generellen Geringschätzung dieser Tätigkeiten. Die Ansicht, mit einem Studium erreichbare Berufe seien besser und die sie ausfüllenden Arbeitnehmer achtenswerter, ist zumindest unterschwellig weit verbreitet. Schnell werden sich alle einigen, dass keine Berufsbezeichnung, weder Klempner noch andere, als Beleidigung genutzt werden sollte. Trotzdem wird es niemanden überraschen, dass es dennoch passiert.

Das Prüfungssystem durchschnittlicher Schulen ist darauf ausgelegt, diese Trennung in “bessere und schlechtere” Berufe zu fördern. Neben dem Hauptziel des Lernens werden Schüler und ihre Eltern gleichermaßen angehalten, sich mit guten Leistungen und guten Noten hervorzutun. Die guten Noten werden zum Ziel der Schüler, in der Hoffnung, es zuerst auf das Gymnasium und dann auch zum Abitur zu schaffen. Je besser die Noten im Abitur ausfallen, desto höher sind die Chancen auf einen Studienplatz. Wenn es zum Studieren nicht reicht, bleiben Ausbildungen, das Vermitteln dieses Eindrucks ist Teil des Systems. “Die Schlauen schaffen es, zu studieren, die Dummen scheitern und müssen stattdessen die Ausbildung machen.” Wenn dieses Bild entsteht, ist natürlich niemand gern unter den Scheiternden.
So sind alle Schüler, welche die Möglichkeit haben, eher geneigt, ein Studium anzustreben, und unter allen verbreitet sich die falsche Vorstellung, Handwerker seien hauptsächlich diejenigen, die zum studieren nicht geeignet waren. Wenn Merz dann “Klempner” als Wort für eine Person, die unfähig ist, benutzt, entspricht dies dem unterschwelligen Gedanken, mit dem diese Berufsgruppe und viele andere zu kämpfen haben. Dass sie diesen Berufspfad gewählt haben, weil sie etwas “Besseres” nicht konnten.
In der Realität erfordert jede Arbeit bestimmte Fähigkeiten, die manche Leute beherrschen und andere nicht. So ist nicht jeder, der es nicht ins Medizinstudium schafft, ein guter Handwerker. Genauso wenig, wie die Ärzte, die diesem Bild zufolge schlauer und geeigneter sind, automatisch gute Handwerker wären. Ob Merz selbst ein guter Klempner wäre, ist zumindest anzuzweifeln.

Um die Handwerkerberufe, auf die wir uns alle regelmäßig verlassen, wieder attraktiv zu machen, braucht es unbedingt höhere Löhne und oft bessere Arbeitsbedingungen. Wenn es für Schüler begehrenswert wird, sich in diesen Berufszweigen zu probieren, wird dies auch dem negativen Framing der Branche entgegenwirken. Zusätzlich braucht es allerdings ein gesellschaftliches Umdenken. Die wenigsten werden widersprechen, dass auch Handwerk anspruchsvoll ist und die ausführenden Arbeiter fähig in ihrem Fach sind und sein müssen. Hinzukommen muss das aktive Bewusstsein, dass diese Arbeiter nicht weniger “schlau” oder “begabt” als Ärzte, Juristen und sonstige respektiertere Absolventen sind.
Schließlich hat jede Person andere Fähigkeiten und sollte dem Berufszweig folgen können, für den sie geeignet ist. Nicht, weil ein Beruf weniger Eignung erfordert, sondern weil er andere Eignung erfordert. Eine Anpassung des Schulsystems, um den Schülern ihre Begabungen zu zeigen, anstatt ihnen unterschwellig ein Studium als bestrebenswertes Ziel und Ausbildung als Alternative beim Scheitern darzustellen, ist in naher Zukunft nicht zu erwarten. Die Lehrer sind generell interessiert daran, ihre Schüler nach Möglichkeit individuell zu fördern, um dieses Bild nicht entstehen zu lassen, allerdings sind sie für zu viele Kinder und zu viele andere Dinge zuständig. Berufsvorstellungsmessen für Schüler leisten einen wichtigen Beitrag, um ihnen auch Ausbildungsberufe näherzubringen, doch in vielen Fällen reichen die einzelnen Ereignisse nicht aus, um den langfristig erzeugten Eindruck zu durchbrechen.
Es ist daher notwendig, dass auch Eltern bei der Erziehung die Gefahr dieses Bildes berücksichtigen, und dass Erwachsene, die unter dieser Vorstellung der Überlegenheit von Studiumsberufen aufgewachsen sind, sich der unterbewussten Fehlvorstellung bewusst werden. Auch wenn die wenigsten aktiv schlecht von Handwerkern denken, sind Gedanken wie die von Merz weit verbreitet. Um den Handwerkermangel zu beenden und den Status von Handwerkern zu verbessern, muss sich dies ändern.

 

 

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=RPFJykONKCg

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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