Das Marketing-Problem der Pokemon Company

Während in der Corona-Zeit die Ankündigungen einiger Videospiele verschoben oder ohne große Präsentation über die Bühne gingen, vor allem bei Nintendo, hat das Pokemon-Franchise den Platz im Rampenlicht ausnutzen wollen. Nachdem infolge der Ankündigung letzten im November nun am Mittwoch, den 17.6.2020, das erste der beiden DLC zu Pokemon Schwert und Schild erschienen ist, hat die Pokemon Company noch am selben Tag eine Präsentation gehalten, die tatsächlich gut ankam. Doch wäre es zu einfach gewesen, sich auf dem Erfolg ausruhen, stattdessen kam direkt die Woche darauf der nächste Versuch, die Fans zu überzeugen. Und je höher die Vorfreude, desto mehr Chancen gibt es für Enttäuschung.

Seit der E3 2019 ist die Fanbase von Pokemon nahezu unheilbar gespalten in jene, die dem Entwicklerstudio GameFreak Faulheit und Erfolgsausquetschung vorwerfen, und jene, die es und die Spiele der achten Generation verteidigen. Pokemon Schwert und Schild wurden letztendlich gemischt aufgenommen, schienen jedoch die Befürchtung gestärkt zu haben, dass die Entwickler nur noch das Nötigste tun, um mit möglichst wenig Aufwand Editionen zu gestalten, die möglichst viel Geld einbringen. Entsprechend skeptisch wurden die DLC betrachtet, die für Sommer und Winter 2020 angekündigt wurden.
Gerade die Insel der Rüstung, welche Inhalt des ersten DLC ist, wurde in der ersten Jahreshälfte immer wieder mit neuen Videos beworben, bis sie im Juni erschienen ist. Als bekannt wurde, dass am Tag des Release auch eine “Pokemon Presents”, GameFreaks Version der Nintendo Direct, stattfinden sollte, gingen alle davon aus, dass es um die Bewerbung der Rüstungsinsel geht, damit diese möglichst viel Aufmerksamkeit bekommt. Diese geringen Erwartungen wurden auch früh in der Präsentation erfüllt und jeder mit Interesse bekam schönes neues Bildmaterial zu sehen.

Zusätzlich bekamen die Zuschauer allerdings auch mehrere Neuankündigungen, angefangen mit Pokemon Smile, einer Handy-App, die Kindern beim Zähneputzen helfen soll. Auf ähnliche Weise wurde auch Pokemon Cafe Mix erstmals gezeigt, welches sowohl für die Nintendo Switch als auch für Smartphones mittlerweile erhältlich ist. Dabei handelt es sich um eine neue Art von Puzzle-Spiel, wobei das Gameplay eingebaut ist in ein Setting, wo verschiedene Pokemon ein Cafe führen, niedliche Sprites und Dialoge sollen diejenigen überzeugen, denen das Puzzlen nicht genügt.
Highlight der Präsentation für die meisten war wohl die Ankündigung von New Pokemon Snap, der Fortsetzung des 1999 für das Nintendo 64 erschienenen Spiels, in dem man auf einer Foto-Safari verschiedene Pokemon möglichst gut abzulichten versucht. Lange haben Fans auf ein Remake oder einen neuen Teil gehofft, und zeigten sich zufrieden mit der Grafik und Pokemon-Vielfalt des Trailers, die ausnahmsweise mal nicht auf Kanto-Pokemon beschränkt. Zwar wurde noch nicht einmal ein Veröffentlichungszeitraum genannt, sondern nur, dass es überhaupt in Entwicklung ist, trotzdem wurde dies sehr positiv aufgenommen. Die darauffolgende Erwähnung von Neuheiten in Pokemon Go ging in der Freude über New Pokemon Snap etwas unter, nicht so allerdings der Verweis, dass genau eine Woche später ein “neuer, großer Titel” erstmals gezeigt werden sollte.

Dies war aus Marketing-Sicht eine sehr clevere und vielfach gelobte Taktik: In den folgenden sieben Tagen wurde dauerhaft spekuliert, was man am nächsten Mittwoch zu sehen bekommen würde, jeder sprach überall über Pokemon. Alle von Schwert und Schild enttäuschten Spieler schienen durch New Pokemon Snap besänftigt und mit den Fans, die in dieser Zeit die neue Rüstungsinsel erkunden konnten, in Vorfreude verbunden. Während schon seit einer Weile auf Remakes der 4. Generation, Diamant und Perl, gewartet wird, kamen wegen einiger Plüschtiere, die in der ersten Präsentation zu sehen waren, Spekulationen hinzu, dass die große Ankündigung die Entwicklung von in der Johto-Region spielenden Fortsetzungen von Let’s Go Pikachu & Evoli sein würde.
Hätte die Pokemon Company nach diesem Versprechen nur eine angemessene Ankündigung geliefert, wäre die Fanbase vielleicht wieder vereint und der Internetkrieg beendet gewesen. Jedoch wurde am nächsten Mittwoch, den 24.6., weder ein Gen 4-Remake, noch ein Let’s Go Johto, noch eine Spezialedition zu Pokemon Schwert und Schild und auch kein neues Hauptspiel vorgestellt. Stattdessen zeigten sie Pokemon Unite, ein völlig neues Spin-Off, welches dem Trend von Spielen wie League of Legends folgt. Es ist ein MOBA-Game (Multiplayer Online Battle Arena) welches wie Pokemon Cafe Mix für die Switch und Smartphones erhältlich sein und Cross-Plattform-Spielen anbieten soll. In 5v5-Matches treten Pokemon, vor allem solche der ersten Generation, gegeneinander an, zur Vereinfachung sind jedoch nicht einmal Typen-Effektivitäten dabei.
Vielen Fans war Pokemon Unite letztendlich egal, doch noch mehr von ihnen empfanden es als Enttäuschung, weil ein großer Titel versprochen worden war. Zwar ist es offensichtlich, dass die Pokemon Company dies als großen Titel betrachtet, für die Zuschauer jedoch war dieses mit Pokemon noch nicht getestete Konzept auf einem Markt, der von LoL und co. schon lange beherrscht wird, nicht besonders genug. Auch die Tatsache, dass Tencent an der Entwicklung maßgeblich beteiligt ist, stieß auf Ablehnung, da die chinesische Firma dafür bekannt ist, Leute zu unterdrücken, welche sich positiv über die Proteste in Hongkong äußern.

Innerhalb weniger Tage brach der Trailer zu Pokemon Unite den Rekord für das Video mit den meisten negativen Bewertungen auf YouTube. Zwischenzeitlich wurde das Video gelöscht und neu hochgeladen, um die Daumen runter loszuwerden, das verschlimmerte die Wertung aber nur, da so mehr Daumen hoch verloren gingen als umgekehrt. Erneut ist die Fanbase gespalten in jene, die GameFreak dafür kritisieren, und jene, die ihre Meinung vertreten, dass die Pokemon Company auch neue Ideen ausprobieren können sollte.
Worüber sich ausnahmsweise alle einig sind, ist einerseits, dass die Zusammenarbeit mit Tencent sehr problematisch ist, und andererseits, dass diese Ankündigung die Verschwendung eines hervorragenden Marketing-Schrittes war. Die gewünschte Aufmerksamkeit hat Pokemon Unite jedenfalls bekommen, trotzdem wird das Schaffen zu hoher Erwartungen hauptverantwortlich für die Welle des Hasses sein. Die Lehre daraus für zukünftiges Marketing muss eindeutig sein, dass man nur so hoch pokern darf, wenn man sich sicher ist, auch liefern zu können.

Wie lange die Pokemon-Company für ihr Vorgehen in diesem Fall und auch den letzten Jahren noch kritisiert und angefeindet werden wird, steht in den Sternen, nun ist es auf jeden Fall wieder schwieriger geworden, neue Einheit zu schaffen. Fakt bleibt dabei auch, dass es die Pokemon Company sicher nicht nötig hat, da ihre Verkaufszahlen trotz allem besser denn je aussehen. Das meiste Potential geht immer dadurch verloren, dass es keinen Grund mehr gibt, sich Mühe zu machen.

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=oElrP4oAwjA&pbjreload=101

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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