Das Kabinett Scholz – Deutschlands neue Regierung

Bereits fünf Wochen nach der Veröffentlichung des Sondierungspapiers der sogenannten “Ampel”-Parteien, der Sozialdemokratischen Partei Deutschland (SPD), Bündnis 90 / Die Grünen und der Freien Demokratischen Partei (FDP), sind die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen worden. Gemeinsam wollen die Drei für die nächsten vier Jahre ihre gemeinsame Parlamentsmehrheit nutzen, um Deutschland zu regieren. Am letzten Wochenende hatten sie nacheinander per Abstimmung ihre Mitglieder den Koalitionsvertrag bewilligen lassen, mit Mehrheiten von je über 85% wurde er von allen angenommen. Die Ampel-Regierung hat damit einen einheitlichen Plan, wie sie ihre Mehrheit im Bundestag nutzen und die Ministerien untereinander aufteilen. Und diese Ministerien gilt es nun zu besetzen.

Am Mittwoch, den 8. Dezember, konnte Olaf Scholz vom Bundestag mit einer Mehrheit von 395 Stimmen zum neunten Bundeskanzler Deutschlands gewählt werden. Seine Vorgängerin Angela Merkel aus der Christlich-Demokratischen Union (CDU) wurde im Vorhinein mit dem traditionellen musikalischen Zapfenstreich verabschiedet und trat am Tag der Abstimmung wohlwollend die Amtsgeschäfte an den vierten Kanzler aus der SPD ab. In der Zeremonie vor Bundespräsident Walter Steinmeier, ebenfalls von der SPD, legte Scholz den Amtseid ab. Danach wurden auch die vorher bekannt gegebenen Politiker der drei Parteien, denen ihre Resorts zugeordnet wurden, offiziell zu Ministern und damit Mitgliedern der Regierung ernannt.

Schon der Koalitionsvertrag hatte festgehalten, welche Partei welches Ressort übernehmen soll, über die Politiker, welche die Parteien für diese Aufgaben auswählen würden, wurde danach viel spekuliert. Als die Parteien nacheinander ihre Personalien veröffentlicht haben, zeichnete sich schon das Bild ab, dass die Posten dieses Mal tatsächlich nach Fachwissen oder -erfahrung verteilt worden sind, wie sich gerade nach der letzten Amtsperiode oft gewünscht wurde. Diese Politiker werden zukünftig Deutschland regieren:

Die SPD stellt neben dem gebürtigen Osnabrücker und ehemaligen Bürgermeister von Hamburg Olaf Scholz als Bundeskanzler und seinem engen Vertrauten Wolfgang Schmidt als Chef des Kanzleramtes sechs Minister.
Das Ministerium des Innern und für Heimat leitet ab sofort Nancy Faeser, 51 Jahre alt und seit 1988 Mitglied der Partei. Sie hat in Frankfurt Rechtswissenschaften studiert und die beiden Staatsexamen abgeschlossen, war an einem Lehrstuhl für Staatsrecht und als Rechtsanwältin tätig, Mitglied und Vorsitz in Kreis- und Landtag. Die juristische Erfahrung wird bei der Führung des Innenministeriums helfen.
Hubertus Heil ist der einzige Minister aus der Großen Koalition von 2018-2021, der sein Amt behält – der 49-Jährige bleibt Minister für Arbeit und Soziales. Er ist ebenfalls 1988 der SPD beigetreten, hat zwei Jahre Zivildienst beim Paritätischen Wohlfahrtsverband in Peine abgeleistet und Politikwissenschaft und Soziologie an der Uni Potsdam und der Fernuniversität Hagen studiert. Innerhalb seiner Partei hat er seit längerem führende Ämter inne und ist als Arbeitsminister zuletzt beliebt gewesen.
Die 56-jährige Christine Lambrecht, seit 1982 in der SPD, ebenfalls studierte Juristin mit Tätigkeiten in Verwaltungs-, Handels- und Gesellschaftsrecht, wurde zur Ministerin der Verteidigung ernannt. Sie war in der letzten Regierung zuerst parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium unter Scholz, dann Justiz- und nach dem Rücktritt von Franziska Giffey zusätzlich noch Familienministerin. In der Leitung von Ministerien hat sie also auf jeden Fall Erfahrung. Fokus auf Verteidigungspolitik hatte sie noch nicht, sich aber trotzdem schon vorgenommen, das unrühmliche Ende des Afghanistan-Einsatzes aufzuarbeiten.
Während der Pandemie wegen hoher medialer Präsenz für seine medizinische Fachkenntnis bekannt geworden ist der neue Minister für Gesundheit Karl Lauterbach, der jetzt auch hauptverantwortlich für den Schutz vor Corona ist. Seinen Wahlkreis gewann er bei der Bundestagswahl mit Abstand, in sozialen Medien war er der wohl am meisten für ein Ministeramt geforderte Politiker. Dem 58-Jährigen wird nach seinen zahllosen medizinischen Abschlüssen und vielen richtigen Einschätzungen im Pandemie-Management wie kaum jemandem der Posten zugetraut.
Svenja Schulze, 53 Jahre alt und wie ihre beiden Kollegen seit 1988 in der SPD, wird Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sie ist studierte Germanistin und Politikwissenschaftlerin, hat freiberuflich Werbe- und PR-Arbeit übernommen und als Unternehmensberaterin gearbeitet. Zuletzt leitete sie schon das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des großen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, danach das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Auch sie hat damit bereits Erfahrung in der Leitung von Ministerien und hat schon mit privaten Unternehmen gearbeitet, deren Zusammenarbeit mit den Behörden sie nun koordiniert.
Die 45-jährige Klara Geywitz, jüngstes SPD-Mitglied der Regierung und seit 1994 in ihrer Partei, wird Ministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Am bekanntesten wurde die studierte Politikwissenschaftlerin, welche schon viele parteiinterne Posten innehatte und unter anderem für deutsch-polnische Zusammenarbeit zuständig war, wohl dadurch, dass sie als Partnerin von Olaf Scholz in der Wahl um den SPD-Parteivorstand antrat und dabei mit ihm knapp unterlag. Sein Vertrauen in sie ist ungebrochen, so vertraut er ihr nun die Verantwortung für Städte- und Wohnungsbau an, was eines seiner Kernanliegen im Wahlkampf war.

Den Vizekanzler und damit den symbolischen Stellvertreter von Scholz stellt die zweitstärkste Partei der Koalition, die Grünen. Der Titel geht nun doch nicht an Scholz’ Konkurrentin im Wahlkampf ums Kanzleramt, Annalena Baerbock, sondern an den zweiten Vorsitzenden der Partei, Robert Habeck, beide erhalten aber je einen der fünf Ministerposten, welche die Partei in der neuen Regierung besetzen darf.
Robert Habeck, seit 20o2 Mitglied seiner Partei, wird fortan Vizekanzler und der Minister für Wirtschaft und Klimaschutz sein. Damit ist der 52 Jahre alte Schriftsteller, welcher schon Germanistik, Philosophie, Philologie, Humanwissenschaften und Literaturwissenschaft an drei verschiedenen Unis studiert hat und in Schleswig-Holstein bereits sechs Jahre lang Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, ländliche Räume, Natur und Digitalisierung war, der Hauptverantwortliche für effektiven Klimaschutz und das Gelingen der Energiewende, dafür bekommt er auch ein Veto-Recht in der Regierung. Gleichzeitig kann er seine im Wahlkampf ausgespielte Wirtschaftskompetenz nutzen.
Annalena Baerbock erhält derweil den prestigeträchtigen Posten der Ministerin des Auswärtigen. Die 41-Jährige ist seit 2005 Mitglied der Grünen und inzwischen schon zum zweiten Mal Parteivorsitzende, hat Politikwissenschaft und internationales Recht studiert und war bereits Mitglied des Europäischen Parlaments und Referentin für Außen- und Sicherheitspolitik ihrer Partei. So ist Außenpolitik zweifellos das Thema, in welchem die ehemalige Kanzlerkandidatin am stärksten ist, und das wichtige Amt der Vertretung von Deutschland im Ausland fällt nicht nur an eine erfahrene, sondern auch der Öffentlichkeit gut bekannte Politikerin.
Ebenfalls gut bekannt ist Cem Özdemir, neuer Minister für Ernährung und Landwirtschaft und der Politiker der Grünen, der bei der Bundestagswahl in seinem Wahlkreis das beste Ergebnis geholt hat. Der ausgebildete Erzieher und Diplom-Sozialpädagoge ist 55 Jahre alt und seit 1981 Mitglied seiner Partei, war schon ihr Bundesvorsitzender und Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur. Das zugehörige Ministerium ging letztlich doch nicht an die Grünen, trotzdem kann sich der Politiker der Umweltpartei um ein für den Klimaschutz wichtiges Ressort kümmern.
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird Anne Spiegel. Mit 40 Jahren ist sie das jüngste Regierungsmitglied, war aber trotzdem schon 1999 im Landesvorstand der Grünen Jugend Rheinland-Pfalz, während sie ihr Studium der Politik, Philosophie und Psychologie begann. Zehn Jahre nach dem Abschluss des Studiums wurde sie bereits Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz in Rheinland-Pfalz, womit sie schon Erfahrung auf dem Gebiet hat, nach dem Rücktritt einer Parteikollegin übernahm sie zusätzlich das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung, Forsten und Mobilität und wurde stellvertretende Ministerpräsidentin, womit sie trotz ihres Alters bereits viele vergleichbare Ämter innehatte.
Das für die Grünen nicht weniger wichtige Amt der Ministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz soll Steffi Lemke übernehmen, eine 53-Jährige, die schon eine Ausbildung zur Zootechnikerin gemacht hat, als Briefträgerin tätig war, Agrarwissenschaften in Berlin studiert hat und 1990 zu den Gründungsmitgliedern der Grünen Partei in der DDR gehörte. Für ihre Partei war sie schon parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Mitglied im Ältestenrat, politische Bundesgeschäftsführerin und Sprecherin für Naturschutz der Bundestagsfraktion sowie Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, bringt also eine gewaltige Menge an Fachwissen und Erfahrung für das Ministerium mit.

Ursprünglich wurde angenommen und wohl auch am Verhandlungstisch besprochen, dass auch die FDP entweder gleichzeitig oder abwechselnd mit den Grünen einen Vizekanzler stellen kann. Es wurde sich allerdings entschieden, dem Gesetzeswortlaut zu folgen und den Posten nur mit Robert Habeck für die vier Jahre zu besetzen. Dafür sind die vier Ministerien, die an die FDP gehen, allesamt reich an Einfluss und Prestige.
Niemand hat sich im Vorhinein mehr um einen Ministerposten beworben als Christian Lindner, der jetzt wie von ihm gewünscht Minister der Finanzen wird. Seiner Partei war das Ministerium wichtig, um sicherzustellen, dass ihr Wahlkampfversprechen von keinen höheren Steuern und keinen neuen Schulden durchgesetzt wird. Der 42-Jährige, welcher seit 1995 Parteimitglied und seit 2013 Parteivorsitzender ist, übernimmt den Posten auch selbst. Seine Fachkenntnis kommt aus einem Studium von Politikwissenschaft, öffentlichem Recht und Philosophie in Bonn, der Leitung einer Werbeagentur und dem Mitgründen eines Internet-Unternehmens, welches jedoch scheiterte.
Minister der Justiz wird Marco Buschmann, 44 Jahre alt und seit 1994 Mitglied der FDP. Nach einem Jahr Zivildienst am Bruder-Jordan-Haus in Gelsenkirchen-Buer hat er Rechtswissenschaften in Bonn studiert, beide Staatsexamen bestanden und als Rechtsanwalt in einer internationalen Sozietät gearbeitet. In seiner Partei war er schon Bundesgeschäftsführer und Geschäftsführer der Bundestagsfraktion sowie ihr rechtspolitischer Sprecher, an der Uni Köln hat er zum Doktor des Rechts promoviert. Im Fach der Justiz ist er damit insgesamt exzellent geschult.
Volker Wissing wird Minister für Digitales und Verkehr, sicher mit Fokus auf ersteres, da es für seine Partei ein Schwerpunktthema ist und sich in diesem Ministerium nun alle Kompetenzen sammeln sollen, statt wie zuvor verteilt zu sein. Er ist 51 Jahre alt und seit 1998 Mitglied der Partei, wie Buschmann hat auch er Rechtswissenschaften bis zum zweiten Staatsexamen studiert und promoviert, danach hat er schon als Staatsanwalt, Richter und später auch Rechtsanwalt gearbeitet. Neben einer langen Liste parteiinterner Posten hatte Wissing bis zuletzt die Leitung des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Bundeslandes Rheinland-Pfalz und den Rang des stellvertretenden Ministerpräsidenten inne. Auch er hat damit schon ein Ministerium mit ähnlichem Themenschwerpunkt geführt.
Die einzige Frau in der Riege der FDP-Regierungsmitglieder ist Bettina Stark-Watzinger, fortan Ministerin für Bildung und Forschung. Mit 53 Jahren ist sie gleichzeitig die älteste Ministerin der FDP, der sie seit 2004 angehört. In Mainz und Frankfurt am Main hat sie Volkswirtschaftslehre studiert und in Frankfurt dann bei der BHF Bank AG gearbeitet, später eine Familienpause mit Weiterbildung und Auslandsaufenthalt gemacht. Neben weiteren Finanzberufen war sie Geschäftsführerin vom Forschungszentrum SAFE (Sustainable Architecture for Finance in Europe), woraus sie das meiste Wissen für ihre neue Position gezogen haben dürfte.

Auffällig ist, dass Kanzler Scholz mit seinen 63 Jahren selbst das älteste Regierungsmitglied ist, während die Minister alle zwischen 40 und 58 Jahre alt sind. Insgesamt betrachtet ist es ein verhältnismäßig junges Kabinett mit vielen Personen, gleichzeitig mangelt es aber nicht an Erfahrung entweder im Fach oder in der Amtsführung. Die drei Parteien haben die Ministerien unter sich so aufgeteilt, dass möglichst jeder für das zuständig ist, was der Partei besonders wichtig ist, um die Erwartungen der Wähler bestmöglich zu erfüllen und ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis untereinander zu schaffen. Selbst die Oppositionsparteien konnten mit keiner Kritik an den Besetzungen Aufmerksamkeit gewinnen, außer daran, dass nicht aus jedem Bundesland ein Minister kommt. Nach der regelmäßigen Bevorzugung von Bayern bei Finanzierungen und Standortbestimmungen während der letzten Regierungen wurde dies von der Öffentlichkeit jedoch nicht als Problem wahrgenommen.

Wie gut die Regierung die hohen Ziele des Koalitionsvertrags in die Praxis umsetzen kann, wird sich nun in den nächsten vier Jahren zeigen. Viel Zeit zum Einleben nehmen sich die neuen Amtsträger auf jeden Fall nicht, so ist etwa Lauterbach bereits intensiv mit der Bekämpfung der Pandemie beschäftigt, Baerbock tritt ihre ersten Amtsbesuche im Ausland an und Lindner organisiert schon die Finanzierung der Pläne für Klimaschutz und Digitalisierung. Die zuvor regelmäßig streitenden Parteien treten nun bei allen öffentlichen Terminen geschlossen auf, wie es sicher die wenigsten erwartet hätten, und bringen den Willen, ihre gemeinsamen Vorhaben in die Tat umzusetzen, klar zum Ausdruck. Zu erwarten ist, dass in der kommenden Zeit politisch viele Weichen gestellt werden.

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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