CDU in der Opposition – Neuanfang unter Friedrich Merz?

Da Deutschland nun eine neue Regierung bestehend aus der “Ampel”-Koalition hat, gibt es im Bundestag auch eine neue Opposition bestehend aus den übrigen drei Parlamentsparteien. Neben den Linken und der rechts-gesinnten Alternative für Deutschland (AfD) gehört dazu zum ersten Mal seit 16 Jahren auch die Christlich-Demokratische Union (CDU) mit ihrer Schwesterpartei, der Christlich-Sozialen Union (CSU). Bereits während dem Wahlkampf hatte sich Unzufriedenheit unter den Mitgliedern der beiden konservativen Parteien breit gemacht. Heute, am 17.12.2021, hat die Basis in einer Abstimmung entschieden, dass Friedrich Merz, schon seit Jahren Anwärter auf den Posten des Parteivorsitzenden, die Partei bei der Neuorientierung anführen soll.

16 Jahre lang hatte Angela Merkel Deutschland als Kanzlerin regiert. Schon vor der Bundestagswahl 2017 war ihr Ruhestand im Gespräch, vor der Wahl 2021 wurde es offiziell gemacht. Mit ihr an der Spitze war die Parteibasis wie auch die Bevölkerung für lange Zeit zufrieden. Kritik in der Partei wurde wohl erstmals 2015 lauter: Ihre Entscheidung, die Flüchtlinge, Migranten und Schutzsuchenden, welche durch den Bürgerkrieg in Syrien ihr Zuhause verlassen mussten, in Deutschland aufzunehmen, wurde zwar von der Mehrheit der Bevölkerung getragen, kam aber in der konservativen Partei nicht gut an. Wohl eher wegen ihrem Alter und der bereits langen Zeit, für die sie den Posten innegehabt hatte, trat Merkel im Dezember 2018 während ihrer vierten Amtszeit als Kanzlerin den Parteivorsitz an Annegret Kramp-Karrenbauer ab. Diese hatte sich in einer Kampfabstimmung um die Führung durchgesetzt – gegen Friedrich Merz.
Die neue Vorsitzende wurde von Merkel gezielt in Position gebracht, um ihr Erbe anzutreten, und machte entsprechend eine ähnliche Politik. Die Unterstützung für sie war jedoch brüchig, und so trat sie nach zwei Jahren im Amt den Vorsitz wegen Mangel an Rückhalt wieder ab. Zu dieser Zeit ging es auf die Bundestagswahl zu, und die CDU stand vor einer Kursentscheidung. Ohne den Amtsbonus von Merkel und wegen Planlosigkeit in der Pandemiepolitik war die Partei auf einem absteigenden Ast. Mit der Entscheidung, ab Merkels Kurs fortgesetzt oder sich von ihr abgegrenzt wird, wurde lange gerungen. Letztlich entschied sich der Parteitag in der Abstimmung, die wegen der Pandemiesituation auf Januar 2021 verschoben wurde, für einen Kandidaten, der in seinem Kurs ebenso unsicher war wie die CDU selbst, Armin Laschet – und gegen Friedrich Merz.
Neben dem unsouveränen Duell mit Markus Söder von der CSU um die Kanzlerkandidatur war es aber letztlich wohl auch diese Kurslosigkeit, wegen der Laschet das Rennen um die Kanzlerschaft gegen Olaf Scholz verloren hat, und wegen der die CDU nun recht klar und seit einiger Zeit hinter der SPD liegt. Nach einem von allen führenden Politikern als desaströs eingeschätztem Wahlkampf, aus dem Laschet die Konsequenz zog, seinen Posten nach weniger als einem Jahr wieder abzugeben. Seine Kollegen hatten das befürwortet, es wurde sich eine neue Aufstellung gewünscht, mit neuer Positionierung und neuen Gesichtern. Norbert Röttgen war schon zu Beginn des Jahres im Kampf um den Parteivorsitz angetreten, um zukunftsgewandte und pragmatische Ansätze zu geben, nun warf auch Merkels ehemaliger Kanzleramtsminister Helge Braun seinen Hut in den Ring, um deren Linie fortzusetzen. Letzterer erreichte allerdings nur etwa 12%, und auch Röttgen unterlag erneut mit rund 25% gegen den Erstplatzierten mit über 60% der Mitglieder hinter sich – gegen Friedrich Merz.

Die Opposition sollte der CDU helfen, wieder auf die Spur zu kommen, sich inhaltlich klarer zu positionieren und von der Trägheit nach 16 Jahren Regierung wegzukommen. Keine programmatischen Unentschlossenheiten mehr, keine Korruptionsskandale und keine inneren Konflikte. Bisher lief das wenig erfolgreich. Am allgemein als sehr fortschrittlich aufgefassten Koalitionsvertrag der “Ampel”-Parteien konnte die in den letzten Jahren an der Macht als sehr fortschrittsfeindlich angesehene CDU nur kritisieren, er sei nicht fortschrittlich genug, und an der Besetzung der neuen Bundesregierung fand die CSU nur auszusetzen, dass keiner der Minister aus Bayern kommt. An inhaltlicher Kritik mangelt es noch – das populistische Modell der AfD, alles, was die Regierung tut, aus an den Haaren herbeigezogenen Gründen schlechtzureden, scheint momentan beliebter als tatsächliche Neuorientierung.
Gerade Friedrich Merz, der in der Wahrnehmung des Volkes wohl wie kein anderer für alte Politik steht, soll die Trendwende bringen und die Partei erneuern. Sein klarer Vorsprung vor der Konkurrenz zeigt die Beliebtheit des Mannes, der schon bei Amtsantritt Merkels Politik kritisiert hatte, unter den Mitgliedern der CDU, auch wenn es für die beiden Parteitagsabstimmungen nicht gereicht hatte. Sein Rückhalt spricht dafür, dass sich die Mehrheit wieder einen konservativeren, marktradikaleren Politikstil wünscht. Ob das auch die Mehrheit der Wähler zurückbringt, ist jedoch nicht gesagt – die CDU verlor bei der letzten Wahl Stimmen an alle Kontrahenten gleichermaßen, zu großen Teilen auch an die SPD und die Grünen. Zuletzt hatte Merkel diese Wähler von sich überzeugt, Laschet hatte es nicht geschafft. Merz entfernt sich noch weiter als sein Vorgänger von dem, was diese Wähler sich wünschen. Allgemein ist er außerhalb seiner Partei wohl am ehesten dafür bekannt, dass er Vergewaltigung in der Ehe straffrei lassen, Kündigungsschutz von Arbeitnehmern stürzen und vor Gericht seine gewinnbringende Nebentätigkeit, die er gleichzeitig mit dem Bundestagsmandat betrieb, verteidigen wollte.

So steht der neue CDU-Vorsitzende vor der harten Aufgabe, seine noch kurslose Partei wieder herzurichten, um gleichzeitig alle Mitglieder hinter sich zu bringen und den andauernden Streit mit der CSU friedlich zu lösen, bevor er zusätzlich noch Bürger außerhalb der Partei für sich gewinnen muss, die für den als “radikalisierter Konservatismus” bekannten Stil von Merz nicht viel übrig haben. In Österreich ist erst vor kurzem der gleiche Stil von Ex-Kanzler Sebastian Kurz krachend gescheitert, im Lichte seines Rücktritts wegen Korruptionsverdacht sind Aussagen wie vom Vorsitzenden der Jungen Union Tilman Kuban, die Partei bräuche einen deutschen Kurz, von vor nur wenigen Wochen schlecht gealtert. Ein ähnliches Schicksal droht Merz.
Er versucht sich aktuell als pragmatischer darzustellen und betont, die ganze Bandbreite der Partei abdecken zu wollen, um das Image vom erzkonservativen Einzelgänger abzulegen. Doch ob ihm damit die Zusammenführung der Parteiinteressen und das Gewinnen der Wählergunst bis zur nächsten Bundestagswahl gelingen können, oder ob die Bürger sich an sein bisheriges Verhalten erinnern, bleibt abzuwarten. Mit Blick auf die Landtagswahlen im nächsten Jahr könnten der CDU erstmal Niederlagen bevorstehen, die Merz durchstehen muss, ob er es überhaupt bis 2025 schafft, oder ob seine Partei früher einen neuen Vorsitzenden sucht wie bei Kramp-Karrenbauer, ist daher alles andere als klar. Wenn er mit seiner dreimaligen Kandidatur allerdings eines bewiesen hat, ist es wohl seine Hartneckigkeit.

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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