Pokemon Legenden: Arceus – Zukunft der Reihe oder unzeitgemäßer Reinfall?

Schon seit langem sind die Fans der Pokemon-Reihe über die Qualität der aktuellen Spiele gespalten. Die Ankündigung von Pokemon Legenden: Arceus gemeinsam mit Pokemon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle für die Nintendo Switch letztes Jahr wurde gleichermaßen mit Vorfreude wie mit Skepsis aufgenommen. Das Entwickler-Studio GameFreak hat damit zumindest teilweise den langjährigen Wunsch der Spieler nach einem Open-World-Pokemon-Spiel erfüllt, ein vielversprechendes Konzept. Gleichzeitig wurde der Wunsch nach zeitgemäßer Grafik und genügender Entwicklungszeit, wie schon in allen Trailern erkennbar war, weiterhin ignoriert. Je näher das Erscheinungsdatum kam, desto größer wurden die Zweifel. Als das Spiel jedoch am 28.01.2022 erschien, war die Fachpresse begeistert, und im öffentlichen Diskurs übertönte das Lob die Kritik. Wie gut ist es also wirklich?

Das erste, was am Spiel auffällt, ist nach wie vor die Präsentation, von der Grafik über die Animationen bis hin zu dem Design. Auch ist direkt klar, dass das Spiel wesentlich mehr Entwicklungszeit gebraucht hätte. Die Trailer haben einen letztlich treffenden Eindruck davon gegeben, wie die Technik hinter anderen Spielen auf der Switch zurückbleibt. An einigen Stellen erlaubt das Spielgefühl, die veraltete Grafik zu ignorieren, insbesondere in den rasanten Kämpfen oder in Zwischensequenzen. Manchmal reißt es einen allerdings aktiv aus der Erfahrung heraus, etwa wenn in monotonen Höhlen die Ränder schlecht gezeichnet sind oder wenn Charaktere sich bewegen sollen.
In den Gebieten, die der Spieler durchquert, kann man üblicherweise weit in die Ferne sehen, weit entfernte Elemente ploppen jedoch meist erst auf dem Bildschirm auf, sobald man ihnen ziemlich nah ist. Bewegt sich ein Pokemon in der Ferne, sinkt die Framerate, was bedeutet, dass es unangenehm sprunghaft angezeigt wird. Dafür hat das Spiel viele gelungene Animationen, besonders in den Kämpfen, die sich jetzt wesentlich lebendiger anfühlen. Das Problem ist, dass in der Story konstant an Animationen gespart wird, für jede Kleinigkeit, die Bewegung gebraucht hätte, wird der Bildschirm kurz schwarz und dann ist es geschehen, etwa wie ein Charakter von einer Anhöhe springt. Dadurch fühlt sich der Dialog unglaublich statisch an.

In der Story geht es darum, dass der Protagonist aus einem Riss in Raum und Zeit aus dem Himmel in die Hisui-Region, das Sinnoh aus einem vergangenen Zeitalter, fällt. Er ist aus der Zukunft, und wurde  vom legendären Gott-Pokemon Arceus geschickt, um alle Pokemon in Hisui zu fangen. Der örtliche Pokemon-Professor Laven hat den ersten Pokedex entwickelt und wünscht sich, ihn mit allen Pokemon zu füllen. Da ihre Ziele übereinstimmen, lädt er den Protagonisten in das frisch erbaute Jubeldorf – die Jubelstadt der Vergangenheit – ein, wo der Spieler der Galaktik-Expedition beitritt und sich in die Region aufmacht, um möglichst viele Pokemon zu fangen und zu bekämpfen.
Dabei gerät man in den Streit zwischen dem Perl- und dem Diamant-Clan hinein, die sich uneinig sind, ob das legendäre Pokemon von Hisui über den Raum oder über die Zeit herrscht. Wer von ihnen auch immer Recht hat, das besagte, legendäre Pokemon versetzt die Königs-Pokemon der fünf Gebiete in Rage, und es ist am Protagonisten, sie zu besänftigen, bevor sie Schaden anrichten. Dabei stehen ihm nicht nur die Wächter der beiden Clans und ihre Eigenheiten, sondern auch viele starke Pokemon im Weg.
Insgesamt ist die Story repetetiv und verpasst regelmäßig Chancen, etwas interessantes aus den Ideen zu machen. Vor allem wiederholen die Charaktere bei jeder Gelegenheit Informationen, die der Spieler schon zahllose Male gehört hat, als hätten die Entwickler Angst gehabt, Kinder würden sofort vergessen, dass man am Anfang aus dem Himmel gefallen ist oder dass die beiden Clans zerstritten sind. Der Dialog leidet darunter sehr, und dass man immer wieder das gleiche machen muss, verbessert die Lage nicht, da auch regelmäßig die gleichen Erklärungen und Probleme wiederholt werden. Gegen Ende bessert sich das noch etwas. Vor den Credits und vor dem Postgame-Finale, welches eher ein Abschluss der Story, als das eigentliche Finale ist, erreicht die Geschichte ziemlich gute Höhepunkte. Jedoch gehen diese wesentlich schneller wieder vorbei als die monotonen Ereignisse im Rest des Spiels, daher sollte niemand vom Spiel eine mitreißende Geschichte erwarten.

Worin man vom Spiel tatsächlich viel erwarten kann, ist das Gameplay. Das Fangen von Pokemon ist schneller und dynamischer geworden, neben dem Bällewerfen im Kampf kann man sich auch an Pokemon anschleichen, sie mit Nahrung locken oder mit Lehm schwerfällig machen, um sie dann überraschend mit einem Pokeball zu treffen. Die Arten der Bälle wurden angepasst, so werden Schwerbälle effektiver, wenn man die Pokemon überrascht, und Federbälle fliegen weiter und geradlieniger in die Ferne. Einerseits ist das Fangen damit einfacher, andererseits macht es aber auch mehr Spaß und sorgt für einen wesentlich geringeren Glücksfaktor. Wenn die wilden Pokemon den Spieler entdecken, werden sie fliehen oder angreifen, letzteres führt zum bereits bekannten Kampf.
Das Kämpfen wurde neben einigen Signatur-Attacken der neuen Pokemon um die Kraft- und Tempo-Techniken erweitert. Bei Level-Ups erlernen Pokemon wie üblich neue Angriffe, etwa zehn Level danach meistern sie die Attacken und können sie dann als besagte Techniken einsetzen. Tempo-Techniken sind schwächer und können dafür in bestimmten Situationen erlauben, zweimal hintereinander anzugreifen, Kraft-Techniken sind im Gegenzug stärker, häufig greift so allerdings der Gegner zweimal an, weshalb man sich sicher sein sollte, dass der Gegner dadurch besiegt wird. So kommt ein neues gutes und freiwilliges Taktik-Element in das Kampfsystem, nur dadurch abgeschwächt, dass die Anzeige der Zugreihenfolge, nach der man sich mit den Techniken richtet, nicht immer verlässlich ist.

Zusammengefasst kann man mit dem Spiel einiges an Spaß haben, wenn das Gameplay einem zusagt, und bietet dem Spieler viel zu sammeln und zu schaffen, solange es ihn nicht stört, dass manche Aufgaben repetitiv sind. Gerade erfahrene Pokemon-Spieler werden einiges erkennen und sich an den Ergänzungen zu den Hintergründen von Charakteren und Pokemon erfreuen. Nicht beschönigt werden kann allerdings, in wie vielen Bereichen und wie sehr Pokemon Legenden: Arceus hinter seinem Potenzial zurückbleibt. Der Grund ist inzwischen klar, es handelt sich nur ein Experiment, dass zwischen die beiden Haupteditionen an den Enden dieses und des letzten Jahres geschoben wurde – auf der Pokemon Presents im Februar wurden bereits Pokemon Karmesin und Pokemon Purpur für den Winter 2022 angekündigt.
Die Lebenszeit von Pokemon Legenden: Arceus beschränkt sich damit auf einen Monat, bevor sein Nachfolger angekündigt wurde, nachdem es nur zwei Monate nach seinem Vorgänger erschienen ist, also kann es dem Entwicklerstudio nicht sonderlich wichtig gewesen sein. Und wozu hat das Experiment geführt? Die Kritiker waren begeistert von dem Spiel und ignorierten die Arbeit, die es eindeutig noch gebraucht hätte. Konzepte aus diesem Titel wie die offene Welt werden laut Aussage von GameFreak in Pokemon Karmesin und Pokemon Purpur übernommen. Und während die Vorfreude auf diese Spiele jede verbleibende Freude über Pokemon Legenden: Arceus überschattet, bleibt nun abzuwarten, ob die Nachfolger ebenso unfertige Produkte sein werden.

 

 

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=yhpcPZcT570

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen