Energieunabhängigkeit von Russland – Und was sie kostet

Nachdem der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine begonnen hat, waren sich die meisten Länder der Welt sofort einig, dass der Aggressor bestraft und das Opfer unterstützt werden muss. So gab es einerseits Waffenlieferungen an die Ukraine und erleichterte Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Land, andererseits auch Sanktionen gegen Russland. Hauptsächlich sollen diese den autokratischen Präsidenten Vladimir Putin treffen. So wurden etwa die privaten Reichtümer von ihm und nahestehenden Oligarchen beschlagnahmt, sofern der Zugriff möglich war. Gleichzeitig soll das Volk Russlands für die Handlungen seines Anführers und dafür, ihn zu unterstützen, bestraft werden, in der Hoffnung, dass dies in der Bevölkerung Unzufriedenheit mit Putin schafft. Dazu stellen immer mehr internationale Firmen ihren Betrieb in Russland ein, und Banken beenden den Zahlungsverkehr, so sinkt der Wert der russischen Währung Rubel. Worauf Russland am stärksten baut, und wo man sie am härtesten treffen könnte, ist der Export von Öl und Gas.

Schon seit Beginn des Krieges ist klar, dass die Energieexporte die größte Angriffsfläche für Sanktionen bieten. Auf sie allein kann Putin die Wirtschaft seines Landes mehr oder weniger stützen, ohne sie bricht ihm auch diese letzte Stütze weg. Und doch ist nach etwa sechs Wochen noch nicht viel diesbezüglich geschehen, die meisten Länder importieren weiterhin Öl und Gas aus Russland. Zu sehr basiert das Energiesystem des Westens auf Rohstoffen von Russland, die Rahmenbedingungen für eine Unabhängigkeit müssen erst geschaffen werden. Würden die Importe jetzt aufhören, hätte Deutschland zu wenig Energie, um das ganze Land zu versorgen.
Hauptverantwortlich dafür ist die Große Koalition unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel, die von 2005 bis 2021 regiert hat und erlaubte, dass Deutschland von russischem Gas abhängig wird. Jetzt fällt der Ampel-Koalition unter SPD-Kanzler Olaf Scholz die Aufgabe zu, dies schnellstmöglich zu korrigieren. Es müssen alternative Energiequellen gebaut oder von anderen Ländern importiert werden. Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck aus der Partei Bündnis90/Die Grünen nimmt sich dem aktuell an. Er macht öffentlich sehr deutlich, was für die Energieunabhängigkeit notwendig ist und woran er arbeitet.

Erste Schätzungen gingen davon aus, es würde etwa fünf Jahre dauern, bis die Versorgung mit anderen Energiequellen gesichert ist. Nach den ersten Wochen der Planung und Verhandlung stellt Habeck in Aussicht, bereits im Sommer einen großen Teil der Energie ersetzen zu können, und bis 2024 frei von Russlands Einflüssen zu sein. Hauptschlüssel dafür ist die enge Zusammenarbeit mit den Energiekonzernen und die Eröffnung neuer Märkte für sie. Deshalb ist der grüne Minister mit Wirtschaftsvertretern schon in Katar und den vereinigten arabischen Emiraten gewesen, um von ihnen Verträge zu mehr Gaslieferungen zu erbitten – mit großem Erfolg.
Dies gilt teilweise als umstritten, da Katar in Sachen Menschenrechtsverletzungen Russland in nichts nachsteht. Die Hoffnung auf Besserung ist vorhanden, allerdings ist der Weg noch weit, und nicht umsonst wurde das Land als Standort der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft hart kritisiert. Der Vorteil ist, dass bei Katar nicht die Gefahr besteht, dass sie in naher Zukunft einen Krieg beginnen oder Völkerrecht brechen, weswegen eine Abhängigkeit von ihnen keine größeren negativen Folgen haben wird. Es ist eine Abwägung, welches Übel geringer ist, da die schwierige Entscheidung, wie die Energieversorgung gesichert wird, nun einmal getroffen werden muss.
Hinzu kommt erschwerend, dass Gas nicht die präferierte Energieform des Ministers ist, der es jetzt zu beschaffen hat. Im Koalitionsvertrag wurde eine weitgehende Umstellung auf erneuerbare Energien wie Solar, Windkraft und Wasserstoff vereinbart, diese ist weiterhin in Planung, wird allerdings nicht rechtzeitig tragfähig sein. Für die Regierung wäre es bei weitem vorzuziehen, Putins Gas durch grünen Strom ersetzen zu können, dafür hat die Vorgänger-Regierung allerdings zu wenig getan. Habeck hat entsprechend in Interviews gesagt, dass so viel von dem Gas wie möglich durch Erneuerbare Energien ersetzt wird, damit man nicht einfach den Gaslieferanten wechselt, denn ganz ohne Gaskäufe wird Deutschland allerdings erstmal nicht auskommen.

Während die westlichen Länder an der Energieunabhängigkeit selbst noch arbeiten, droht Putin, sich die Sanktion selbst aufzuerlegen. Er hat verlangt, dass die Rechnungen für russisches Öl und Gas zukünftig in Rubel beglichen werden, um seine Währung vor dem Absturz zu brechen. Dies bricht internationale Verträge, was nach all den Brüchen von Kriegs- und Völkerrecht aber für Putin wohl keinen Unterschied mehr macht. Bisher haben sich alle Länder geweigert, in Rubel zu zahlen, Putin hat seine Drohung aber auch noch nicht wahrgemacht, was nahelegt, dass es nur ein Bluff war. Sollte er die Drohung wahrmachen, käme es in einigen westlichen Ländern, Deutschland eingeschlossen, zu Energieengpässen, weswegen es wichtig ist, dass Habeck sich mit hohem Tempo um Ersatz für das russische Gas kümmert.

So ist es eine schwierige und unschöne Entscheidung, die allerdings nötig ist. So oder so ist der Energiebedarf zu hoch, um ihn mit der vorhandenen Energie zu decken. Zu hoffen bleibt, dass der Ausbau erneuerbarer Energien schnell genug vorangeht und das Gas anderer Länder rechtzeitig bereit ist, bevor es gebraucht wird. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht, nachdem Putin auch einen Rückzug vorgetäuscht hatte, nur um stärker anzugreifen, und da die Ukraine nicht bereit ist, sich den feindlichen Eroberern zu ergeben, kann es noch viele Wendungen geben. Wenn der Westen die Wirtschaft Russlands durch das Ende von Gasexporten beenden kann, wird dies allerdings zu einem schnelleren Ende des Krieges führen.

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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