Space Race der Milliardäre – Die Welt sehen, obwohl man sie retten könnte

“Vom Tellerwäscher zum Millionär” war damals das Versprechen des Amerikanischen Traums, jeder sollte es mit harter Arbeit zum Erfolg schaffen können. Wie gut ist das gealtert? Auch heute glauben noch viele, wenn sie sich nur genug anstrengen, könnten sie reich werden. Es klingt glaubwürdig, wenn man hört, dass die Zahl der Millionäre in Deutschland und weltweit trotz Corona weiter wächst, doch das Geld kommt selten von harter Arbeit. Und es zu glauben ist verlockend, wie man sieht, wenn man sich anschaut, wie gebannt alle den Milliardären bei ihrem Space Race zusehen. Die Realität sieht leider anders aus.

Viel zu oft wird vergessen, dass Geld irgendwo herkommen muss. Nur die Banken können in unserem Finanzsystem neues Geld durch Kredite in Umlauf bringen, alles andere Geld wird von irgendwo genommen. Die meisten Millionäre werden durch den Aktien- und Immobilienmarkt reich. Wer in Aktien invesitert, “lässt sein Geld für sich arbeiten”, heißt es. Geld arbeitet aber nicht. Das investierte Geld wird benutzt, damit sich das Unternehmen, in das investiert wird, mehr Produktionsmittel und Arbeitskräfte leisten kann. Der Gewinn, der durch die gestärkte Produktion eingefahren wird, kann an die Investoren ausgezahlt werden. Erarbeitet wird das Geld durch eben jene andere, die so am erarbeiteten Gewinn anders als die Investoren nur wenig beteiligt werden. Würden alle nur noch in Aktien investieren und nicht mehr arbeiten, könnte kein Gewinn mehr eingefahren werden, so können nur jene von Aktienhandel allein leben, die bereits genug Geld haben. Dies hilft nicht, wie man sich oft vorstellt, jedem, reich zu werden, sonst würde das System zusammenbrechen. Hier wird schon schnell klar, der Reichtum dieser Millionäre und Milliardäre beruht darauf, das andere für sie arbeiten und nicht selbst investieren können.
Ist es auf dem Immobilienmarkt anders? Dem Vermieter kommen gesetzliche Verpflichtungen zu, etwa sich um die Verfassung der Immobilie zu kümmern. An eine Immobilie zu kommen und sie zu erhalten, ist das, was beim Aktienhandel die Investition ist. Man hat dabei auf dem Markt eine starke Position, weil Wohnungen allgemein als lebensnotwendig angesehen werden und so selten die Nachfrage ausgeht. Dies stellt den Mieter in eine benachteiligte Position, die ausgenutzt werden kann, um den Preis anzuheben, über eine längere Zeit erhält man durch Miete mehr als man für die Immobilie gezahlt hat. Und kann jeder über Immobilien reich werden? Selbstverständlich nicht, da der Einstieg in den Immobilienmarkt viel zu kostspielig ist. Schon allein für sich selbst können die meisten Menschen sich kein Eigenheim mehr leisten, eine Immobilie zum vermieten ist darum unbezahlbar für alle, die nicht bereits reich sind. Wer durch Immobilien reich wird, war es also schon, und vermehrt nur seinen Reichtum mit den Geld derer, die sich kein Eigenheim leisten können, also der Unter- und Mittelschicht. Sowohl der Aktien- als auch der Immobilienmarkt vergrößern so die Schere von arm und reich, ohne dass die Reichen dafür hart arbeiten müssen.
Wäre der Amerikanische Traum Realität, hieße das, die Milliardäre haben sich ihr Vermögen alle hart erarbeitet. Ein Teamleiter bei Amazon verdient ein Jahresgehalt von etwa 41.000€ brutto. Jeff Bezos, einer der reichsten Menschen der Welt mit einem Vermögen von bald 200.000 Milliarden US-Dollar, verdient diese Summe in 33 Sekunden. Arbeitet Jeff Bezos alle 33 Sekunden so viel wie ein Teamleiter in seinem Unternehmen im Jahr? Das gilt es zu bezweifeln. Viel eher ist anzunehmen, dass den Arbeitern von Amazon nicht annähernd so viel ausgezahlt wird, wie sie erwirtschaften. Letztlich sind wenige Leute reich geworden, ohne Unsummen für die Arbeit anderer einzustreichen. Und übersehen werden darf auch nicht die Startposition. Denn weder Jeff Bezos, noch Elon Musk, auch nicht Richard Branson und wohl auch die meisten anderen Milliardäre starteten als Tellerwäscher. Manche erbten direkt Reichtum von ihren Eltern, etwa Bernard Arnault, andere wie Elon Musk konnten sorglos Risiken eingehen, da sie ihre reichen Eltern als Versicherung hatten.
Schritt 1, um reich zu werden, ist also heutzutage, reich zu sein. Und Schritt 1, um arm zu werden, arm zu sein. Denn während Milliardäre Zeit haben, zu überlegen, in welche Aktien sie investieren, müssen die Leute der Unter- und Mittelschicht Zeit darauf verwenden, ob sie sich einen Urlaub, eine Investition oder überhaupt ein sattmachendes Essen leisten können und wollen. Weder hat der Durchschnittsbürger das Geld, in Aktien oder Immobilien zu investieren, noch hat er viel Zeit, darüber nachzudenken, geschweige denn es sich zu erarbeiten. Und es braucht auch viel Geld und Zeit, um Steuern auszuweichen wie die Milliardäre. Denn Jeff Bezos zahlt keine Steuern und lässt sich vom Staat stattdessen Kindergeld geben. Wenn jeder seine Steuern auf Null reduzieren könnte wie er, sähe es anders aus, doch man muss reich sein, um kein Geld für die Allgemeinheit ausgeben zu müssen. Arm sein ist derweil ein Aufwand. Wenn dazu kommt, dass man einen Teil von dem, was man erarbeitet, mit den reichen Investoren teilen muss, ist es für einen Tellerwischer nicht mehr möglich, zum Millionär zu werden, möge er noch so hart arbeiten.
Trotzdem ist es verlockend, zu glauben, dass jeder es schaffen könnte. Milliardäre, die ihren Reichtum durch Profit aus der Arbeit anderer erhalten haben, werden geschützt von denen, die davon träumen, eines Tages auch reich sein zu können. Ein Eingriff in den Reichtum der Milliardäre bedeutet das Aufgeben dieses Traums, es braucht die Einsicht, dass der Reichtum nicht durch harte Arbeit verdient ist. Und wenn Richard Branson und Jeff Bezos vor den Augen der Welt ins All fliegen, wäre es schön, zu glauben, dass der Weltall-Tourismus, den die beiden aufbauen wollen, auch für einen selbst zugänglich ist. Wieder sieht die Wahrheit anders aus. Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Deutschen beträgt 37.188€ brutto, etwa 200.000€ soll ein solcher Flug ins All derweil bei Branson kosten, ein Kunde von Bezos hat schon über 20.000.000€ bezahlt. Wobei man den beiden zusieht, wird ein Privileg der Reichen bleiben, zu denen die meisten nicht gehören werden, umso weniger, da die Schere zwischen Arm und Reich nur weiter gewachsen ist.
Wird kritisiert, dass Milliardäre wie Bezos und Musk so viel weniger für die Bekämpfung der Probleme der Welt ausgeben, als sie könnten, wird oft entgegengehalten, dass sie das Geld erarbeitet haben und es damit ihre Entscheidung ist, wie sie es einsetzen. Das ist jedoch wieder nur die halbe Wahrheit. Da sie Steuern ausweichen, finanziert auch der Staat ihre Freizeit, und damit jeder Steuerzahler. Probleme wie die Armut auf der Welt, die Schäden durch Umweltereignisse und insbesondere das Voranschreiten des Klimawandels ließen sich mit ihrem Geld locker mehrfach lösen. Dass sie von dem Geld, das andere erarbeiten und in Steuern zahlen, die Welt und die Gesellschaft vor ihrer Zerstörung retten, wäre zu erwarten. Stattdessen fliegen sie ins All, um sich die Welt anzusehen, die sie genauso gut bewahren könnten.
Denn sie haben mehr Geld, als sie zu Lebzeiten für sich selbst ausgeben könnten, und es gibt genug Stellen, an denen das Geld dringender gebraucht wird. Die Steuern, denen viele von ihnen ausweichen, wäre ein guter Weg, das Vermögen kaum merklich für sie zu beschneiden und es für die Lösung von Problemen wie dem Klimawandel zu nutzen. Dabei müssten die Reichen nicht einmal etwas tun, um etwas Gutes zu leisten, vielmehr betreiben sie einen Aufwand, um nicht so viel Gutes tun zu müssen. In Deutschland sind laut einer Umfrage für das ARD-Morgenmagazin 72% für die Einführung einer Vermögenssteuer und nur 25% dagegen. Bisher gibt es eine solche Vermögenssteuer zur stärkeren Besteuerung der Bürger mit den größten Vermögen nicht, für eine Einführung sind vor allem die Grünen, die SPD und die Linke, die FDP und vor allem die CDU stehen dem aber entgegen.
Das häufigste Gegenargument ist, die Reichen würden dann Deutschland verlassen um der Steuer zu entkommen und man würde nichts einnehmen, dies kann aber kein Grund sein. Würden alle Reichen verlangen, dass man ihre Steuern auf 0 senkt, und drohen, Deutschland zu verlassen, wenn dem nicht nachgekommen wird, müsste man dem nach dieser Logik auch nachkommen, dies ist Teil des Grundes warum in Amerika geduldet wird, dass die Milliardäre keine Steuern zahlen. Darüber hinaus haben auch schon einige Millionäre sich selbst dafür ausgesprochen, stärker besteuert zu werden, da sie es auch selbst als fair erachten, die Steuerflucht ist also ein Vorwand der wenigen Unsolidarischen, die ihrem Anteil ausweichen wollen.

“Vom Tellerwäscher zum Millionär”, das schafft in der Realität so gut wie keiner mehr, und die Idee hat nur dafür gesorgt, dass die Armen die Vermögen der Reichen schützen, aus Angst, sonst irgendwann selbst von den Maßnahmen gegen Reiche betroffen zu sein, obwohl das kaum wahrscheinlich ist. “Trickle Down Economics” gehen davon aus, dass die Reichen ihr Geld nutzen, um die Armen zu fördern, doch dies passiert immer weniger. Der beste Weg, einen Teil des Geldes der Reichen wieder den Armen zukommen zu lassen, um die Schere zwischen den Schichten wieder zu verkleinern, ist letztlich eine Besteuerung. Diese könnte von der neuen Regierung, die am 26.09.2021 gewählt wird, eingeführt werden – abhängig davon, welche Partei die meisten Stimmen bekommt. Ob in Zukunft der Traum vom Reich werden wieder für alle erreichbar wird, bleibt also abzuwarten.

 

 

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=QZ1xsn6kBxI

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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