Ein Veto-Recht für das Klimaministerium – nicht neu, aber nötig

Mit einem Vorstoß über die Forderungen und Pläne ihres Parteiprogramms hinaus haben die Grünen diese Woche den Wahlkampf wieder auf inhaltliche Themen ausgerichtet – und wurden dabei absichtlich falsch verstanden, was zu vielen Verdrehungen der Idee geführt hat. Gegenstand der Debatte ist ein Ministerium speziell zuständig für Klimaschutz, welches die Grünen einrichten wollen. Was den Wirbel erzeugt hat, ist, dass dieses Ministerium ein Veto-Recht haben soll, mit dem es die Gesetze anderer Ministerien aufhalten und zur Überarbeitung zwingen kann. Dieses Recht soll das Ministerium haben, falls das entsprechende Gesetz der Erreichung der Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen entgegensteht.

Da auch von Politikern teilweise anderes behauptet wird, muss zuerst klargestellt werden, was dies nicht ist. Es ist nicht die Ermächtigung dieses Ministeriums, Parlamentsgesetze aufzuhalten, es geht lediglich um Bestimmungen anderer Ministerien wie dem Verkehrs- oder Landwirtschaftsministerium. Die Exekutive greift damit in die Exekutive ein, die Legislative bleibt unberührt und somit ist die Gewaltenteilung gewahrt. Es ist auch nicht ein Weg für die Grünen, jeglichen Fortschritt zu blockieren, denn ein Veto zerstört einen Vorschlag nicht, sondern setzt ihn eine Stufe zurück und zwingt zur Überarbeitung, in diesem Fall zur Ausmerzung des klimaschädlichen Faktors, nach dieser Überarbeitung kann die Vorschrift ohne große Verzögerung erlassen werden. Blockierung des Fortschritts ist nicht zuletzt nicht im Interesse der Grünen, selbst wenn es möglich wäre, da es der Partei um die Einführung ihrer Vorschläge zur Entlastung der Unter- und Mittelschicht und zum Schutz des Klimas geht, nicht um Erhaltung des aktuellen Zustands.
Und es ist auch nicht ein Mittel für die Grünen, um alle Entscheidungen der Regierung an ihr eigenes Programm zu binden, denn das Veto soll gerade nur dann offen stehen, wenn der fragliche Erlass des Ministeriums einen Verstoß gegen das Pariser Klimaabkommen, welches eine frühere Regierung eingegangen ist, zur Folge hat, nicht auch schon dann, wenn es den Plänen der Grünen nicht entspricht. Eine Einhaltung des internationalen Abkommens ist für die Regierung ohnehin geboten, die meisten Parteien haben es sich zum Ziel gesetzt, was für sie dagegen spricht, ist also kaum nachzuvollziehen.
Ebenfalls steht zur Frage, wie neu die Idee eines solchen Veto-Rechts ist. In der Praxis haben die meisten Ministerien ein Mitspracherecht, wenn ihr Ressort betroffen ist, ihr Veto wird ernstgenommen, etwa aus dem Verkehrsministerium kamen viele Eingriffe. Am stärksten wirkt das Veto des Finanzministeriums auf alle Ministerien ein, wenn es keine Zustimmung gibt, gibt es kein Geld. Und das aktuell bestehende Umweltministrium? Es ist vor allem dem Veto des Finanzministeriums unterworfen gewesen und konnte kaum arbeiten, hätte in der Theorie aber auch selbst ein Veto-Recht gehabt. Die Idee ist also nicht neu, das macht sie weniger abwegig, aber sicher nicht weniger notwendig.
Wenige Ministerien sind von so vielen anderen betroffen wie es ein Klimaministerium wäre, es bezieht Kompetenzen für sehr viele Gebiete, die momentan noch anderen Ministerien angehören. Damit die Arbeit eines Klimaministeriums nicht von denen anderer Ministerien sabotiert werden kann, muss es also auf diese effektiv einwirken können. Gleichzeitig darf nicht überschätzt werden, wie oft dieses Veto-Recht zum Einsatz käme. Probleme für das Klima machen vor allem bestehende Gesetze und weniger neue Gesetzesänderungen. Es muss zuerst ein Verstoß gegen das Pariser Klimaabkommen zu befürchten sein, bevor das Klimaministerium eingreifen könnte. Wenige neue Vorschriften werden dies aktiv in Kauf nehmen. Und falls ein Erlass tatsächlich gegen ein internationales Abkommen verstößt, ist es naheliegend, dies verbessern zu lassen, bevor er in Kraft treten darf. Oft ist eine Nutzung des Veto-Rechts also nicht zu erwarten, und falls dies doch nötig wird, so ist auch das Aufhalten der Vorschrift bis zur Überarbeitung nötig.
Trotz all dem erntet der Vorschlag der Grünen Kritik von allen Seiten und wird von Konservativen oft eindeutig falsch interpretiert, wohl um wahlkampftaktisch Profit aus Desinformation zu schlagen. Von CDU und FDP ist Ablehnung gegen mehr Klimaschutz zu erwarten, überraschend ist eher der Widerspruch von SPD-Politikern wie Olaf Scholz und Sigmar Gabriel. Diese sind vor allem nicht bereit, so viel Geld in den Erhalt der Lebensgrundlagen zu investieren, und sehen eine solche Priorisierung der Krisenbekämpfung für unrealistisch. Überraschend ist es, weil auch die SPD die Erfüllung des Pariser Klimaabkommens in der Theorie anstrebt, dass sie sich jetzt ausdrücklich vom damals von ihnen mitverhandelten Vertrag lösen wollen, ist damit eindeutig. Auch die CDU steht zum Pariser Klimaabkommen, das sie vor nun bald sechs Jahren unterzeichnet haben, das ist aber schon lange nur noch ein Lippenbekenntnis, ihr Parteiprogramm reicht, wie Teile der Partei selbst feststellen, nicht für die Erreichung der darin bestimmten Ziele.
Bei der Ablehnung des Abkommens ist bemerkenswert, dass die Parteien so nicht nur den Bruch eines internationalen Vertrages anstreben, sondern auch das 1,5°C-Ziel aufgeben, welches 2015 bereits der Kompromiss war, auf den sich alle Länder mit Mühe einigen konnten. Es ist das absolute Mindestmaß, was laut der Wissenschaft erreicht werden muss, um den Planeten zu erhalten. Die 1,5°C-Grenze symbolisiert den Punkt, bis zu dem der Klimawandel noch reversibel ist, wird das Pariser Klimaabkommen gebrochen, bleiben Naturereignisse wie die Fluten in Deutschland, die Brände in der Türkei, die Hitzewellen in den USA, die weltweite Pandemie und mehr regelmäßig zu erwarten. Wenn ein Klimaministerium also den Bruch dieses Abkommens und damit die Zerstörung der Lebensgrundlagen verhindern soll, ist das keine Parteipolitik, sondern etwas, zu dem sich Deutschland bereits selbst verpflichtet hat, und zu dem die Umweltkatastrophen uns zwangsläufig verpflichten. Wenn das Veto-Recht kritisiert wird, ist ein Bruch des internationalen Vertrags automatisch mitgemeint und gewollt.

Es ist darum unso wichtiger zu verstehen, worum es bei dem Veto-Recht des Klimaministeriums geht, und das es weder ein neuer, noch ein besonders harter, aber ein notwendiger und bereits verpflichtender Einschnitt in die Arbeit der Exekutive ist. Da eine absolute Mehrheit der Grünen am Ende der Wahl nicht zu erwarten ist, werden sie es in Koalitionsverhandlungen durchsetzen müssen. Dabei wird es darauf ankommen, wie viele Stimmen sie in der Wahl am 26.09. erreichen können. Was also daraus wird, bleibt abzuwarten.

 

 

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=rvO4f3GBd-g

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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