Afghanistan – Abschieben oder Aufnehmen

Nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan, eingeleitet von Ex-Präsident Trump und umgesetzt durch Präsident Biden, wird vor allem eines erschreckend klar: Der zwanzigjährige Krieg war für gar nichts. Ohnmächtig wird nun zugesehen, wie alle westlichen Länder, die sich an dem Einsatz beteiligt haben, panisch versuchen, ihre Verbündeten aus dem Land zu fliegen, bevor die islamistischen Taliban sie einsperren, foltern, umbringen. Über die bestmögliche Reaktion wird auch in Deutschland nun diskutiert, wobei vor allem die Einstellungen dazu auseinandergehen, ob und wie den nun Gefährdeten geholfen wird.

Im Laufe des langen Krieges konnten die Taliban immer mehr zurückgedrängt werden, die afghanische Armee sollte derweil ausgebildet und ausgerüstet werden, um sich selbst verteidigen zu können. Es ist dem Westen jedoch nicht gelungen, eine von den Einwohnern unterstützte Regierung zu etablieren und den Soldaten etwas zu geben, für das sie kämpfen. Denn sobald die NATO-Truppen weg waren, ergab sich die nur von Geld überzeugten Sölderarmee aus Angst vor den terroristischen Taliban, was letzteren erlaubte, im Rekordtempo das Land wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Zwölf Tage hat es gedauert, bis die Hauptstadt Kabul in ihre Hände fiel und damit alles, was in zwanzig Jahren versucht wurde, aufzubauen, wieder verloren war.
Die Taliban wollen nun die geflohene Regierung mit ihrer eigenen ersetzen und das Land zum “islamistischen Emirat Afghanistan” machen. Das bedeutet eine Unterwerfung aller Einwohner nach der extremistischen Auslegung ihrer Religion, welche Folter und Auspeitschen von Regelbrechern, Abschaffung aller Frauenrechte, die Todesstrafe und viele weitere Verletzungen der Menschenrechte vorsieht. Für die Öffentlichkeit wollen sich die Taliban derzeit moderat geben und machen falsche Versprechungen in der Hoffnung, von anderen Ländern als rechtmäßige Regierung anerkannt zu werden. Auf den Straßen hat allerdings bereits die Gewaltherrschaft begonnen, wie mehrere Videos und Augenzeugenberichte unbestreitbar machen. Trotzdem bereiten sich China und Russland, die selbst für Verletzung der Menschenrechte in Kritik stehen, bereits darauf vor, freundliche Beziehungen mit den Taliban aufzunehmen, um wirtschaftliche Vorteile aus dem Land zu ziehen.

Da allen, die sich dem Terror-Regime der Taliban widersetzen oder widersetzt haben, ein schlimmes Schicksal droht, ist es nun wichtig, so viele Gefährdete wie möglich aus Afghanistan zu bringen. Dies fängt mit denen an, die Deutschland im Militäreinsatz unterstützt haben, denn neben den Soldaten gab es auch Übersetzer, Journalisten und viele mehr, die nach dem Truppenabzug zurückblieben. Dies geschieht nun in letzter Sekunde, in den Nachrichten und sozialen Netzwerken findet man Bilder von vollgestopften Flugzeugen, Chaos am Flughafen, Helikoptern beim Evakuiren von Botschaften. Mehr Leute wollen von dort weg als auf einmal mitgenommen werden können, junge Leute versuchten sich an den Reifen eines startenden Flugzeugs festzuhalten und stürzten in den Tod, weil sie größere Angst hatten, bei den feindlichen Eroberern zu bleiben.
Wenn man die panische Lage und das hastige Vorgehen aller Länder sieht, könnte man denken, dies kam als Überraschung. Tatsächlich waren Warnungen vor genau dieser Situation jedoch ohrenbetäubend. Die Botschaften und Ortskräfte, Strategen und Journalisten sagten bereits vor Monaten genau diese Entwicklungen voraus und empfahlen, die Gefährdeten frühzeitig in Sicherheit zu bringen. Die Grünen im Bundestag reagierten auf die drohende Gefahr und stellten vor etwa einem Monat einen Antrag, die Evakuirung zu beginnen. Diesen lehnten die Regierungsparteien CDU und SPD geschlossen mit der AfD ab, nachträglich mit der Erklärung, dass Anträge der Opposition aus Prinzip abgelehnt würden. Ein Prinzip, das nun Menschenleben gekostet hat. Doch auch von selbst schienen die zuständigen Minister der Regierung nicht zu reagieren. bis die Taliban nun Kabul eroberten, obwohl schon die Tage zuvor durch die Nachrichten ging, wie die Taliban Stadt um Stadt einnahmen. Diese Untätigkeit und verspätete Reaktion erschwert nun alles, was noch erreicht werden soll.

Und was noch erreicht werden soll, nachdem die deutschen Verbündeten, sofern es noch möglich ist, gerettet sind? Darüber herrscht nun Uneinigkeit. Ein weiterer Kampf mit den Taliban wird nicht mehr möglich sein, wenn China und Russland Verbindungen mit ihnen eingehen, auch ob es irgendwelche Chancen darauf gibt, dass es dieses Mal anders enden würde, gehört angezweifelt, das ist also keine Option. Die Niederlage des Westens muss akzeptiert werden und wird wohl vor allem den Interventionismus der USA beenden. Entsprechend muss nun denen geholfen werden, die nicht in einem von Taliban regierten Afghanistan leben oder sterben wollen. In der Praxis bedeutet das, viele Afghanen werden auf der Suche nach Asyl in andere Länder, auch Deutschland kommen. In Deutschland ist umstritten, ob ihnen das Menschenrecht auf Asyl gewährt werden soll.
Kanada war das erste Land, dass versprach, Flüchtige aus Afghanistan aufzunehmen, andere Länder wie Nordmazedonien folgten, erst mit Verspätung machten die USA die gleiche Zusage für eine verhältnismäßig geringe Zahl. Bundeskanzlerin Merkel hat beschlossen, dass auch Deutschland durch die Aufnahme einer kleinen Zahl Flüchtlinge helfen möchte. Ihre Partei, geführt von CDU-Kanzlerkandidat Laschet, folgte ihrem Kurs allerdings nicht und nutzte den Code der Rechtsextremen, der auch von AfD-Mitgliedern zu hören war: “2015 darf sich nicht wiederholen.” Dies soll Angst davor erzeugen, dass Flüchtlingsströme Deutschland schaden, wie sie es angeblich 2015 getan haben. Dass jeglicher Schaden durch die Gewährung des Menschenrechts auf Asyl ausgeblieben ist, wird dabei ignoriert, 2015 wird zu einer Katastrophe stilisiert, ohne dass etwas negatives passiert sei. So wollen ranghohe CDU-Politiker, unter anderem Armin Laschet, Paul Ziemiak und Julia Klöckner, in der Bevölkerung durch Panikmache Befürwortung für ihren Kurs erzeugen, die Afghanen ihrem Schicksal zu überlassen.
Von der CDU ist dies wenig überraschend, da sich Laschet noch vor etwa zwei Wochen für die Fortsetzung von Abschiebungen nach Afghanistan eingesetzt hat. Dies bedeutet in der Praxis, Leute, die nach Deutschland gekommen sind, um Schutz zu suchen, den Taliban zurückzusenden. Erst während die Taliban Kabul einnahmen, wurden diese Abschiebungen gestoppt, die Schwesterpartei der CDU in Österreich, die ÖVP, will derzeit mit den Taliban verhandeln, um weiter abschieben zu können. Aber nicht nur die CDU will sich von Merkels Flüchtlingskurs abkehren, auch Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD und aktueller Vizekanzler, spricht sich dafür aus, lieber “Hilfe vor Ort” zu leisten, anstatt den Flüchtigen ihr Recht auf Asyl zu gewähren. Was den vom Terror-Regime bedrohten Afghanen jetzt wirklich helfen soll, ist aber unklar.

Hilfe vor Ort heißt in der Praxis, was es auch bei den Flüchtlingslagern auf der griechischen Insel Lesbos hieß, möglichst keine Hilfe. So wird es nun zum Wahlthema werden, ob und wie den Afghanen geholfen werden soll. Wirklich für den Schutz ihrer Menschenrechte scheinen nur die Grünen zu sein, während die übrigen Parteien sich anders positionieren. Unabhängig davon, wie es nun weitergeht, ist aber ein roter Faden bei den Ereignissen der letzten Wochen und Monate erkennbar. Schon vor dem Beginn einer neuen Corona-Welle hatten Virologen die Regierung vor den Gefahren gewarnt, diese blieb jedoch bis zum exponentiellen Anstieg der Infektionen untätig und sagte dann, sie konnten es nicht vorhersehen.  Schon vor der Flutkatastrophe in Westdeutschland hatten Wetterdienste die Regierung vor den Gefahren gewarnt, diese blieb jedoch untätig bis zum Ausarten der Hochwasser und sagte dann, sie konnten es nicht vorhersehen. Schon vor dem Vormarsch der Taliban hatten Botschaften, Strategen und Bundestagsmitglieder der Grünen die Regierung vor den Gefahren gewarnt, diese blieb jedoch bis zur Übernahme der Hauptstadt untätig.
Zu spät handeln kostet Menschenleben, CDU und SPD haben es jedoch wiederholt nicht geschafft, auf klare Warnungen zu reagieren. Dies bereitet Sorgen im Hinblick auf zukünftige Krisen, besonders die Gefahren des Klimawandels scheinen die nächste Katastrophe zu sein, bei der die Regierungsparteien trotz eindeutiger Faktenlage zu spät handeln und am Ende behaupten, sie konnten nicht vorhersehen, dass es so kommen würde. Es bleibt also zu hoffen, dass die am 26. September gewählte neue Regierung besser auf Krisen zu reagieren weiß.

 

 

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=X3qYj4v2yKQ

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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