Schwebt das Schloss Bellevue noch immer auf einer Wolke über den Medien? -Ein Kommentar

31. Mai 2010 – die reporterkids.de befinden sich gerade in Berlin. „Horst Köhler ist zurück getreten!“, heißt es plötzlich in den Nachrichten. Unter den jungen Reportern herrscht helle Aufregung. Zurückgetreten? Der Bundespräsident? Wieso? Macht ein Bundespräsident sowas? In Windeseile werden noch ein paar Fragen für das bevorstehende Interview mit der Bundestagsabgeordneten von den Grünen Dorothea Steiner geändert und ergänzt. Nach einem Interview im Zuge der Bundestagswahlen 2009 hatte sie die reporterkids.de nach Berlin eingeladen. Dass ausgerechnet an dem Tag an dem die Reporterkids in Berlin ankamen zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland der Bundespräsident zurücktreten würde, konnte ja wirklich keiner ahnen. Schließlich war es eben das erste Mal, dass sowas passierte. Es war zuvor völlig undenkbar gewesen, dass ein Bundespräsident zurücktritt. Genauso, wie es undenkbar war, was zum Rücktritt Horst Köhlers geführt hatte. Seine Aussagen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr waren in den Medien scharf kritisiert worden. Horst Köhler trat schließlich zurück, da diese Kritik den nötigen Respekt gegenüber dem Amt vermissen ließe.

Nicht einmal zwei Jahre später sieht das schon ganz anders aus. Vor dem Rücktritt Christian Wulffs waren die Medien geradezu außer Rand und Band. Man kann wohl nicht leugnen, dass die Affäre um Christian Wulff längst nicht so weite Kreise gezogen hätte, wenn die Medien nicht dafür gesorgt hätten. Neben seriösen Artikeln, die sich mit schwerwiegenden Vorwürfen gegenüber Wulff beschäftigten, tauchten nach und nach auch Artikel auf, die immer neue Vorwürfe aufzählten, die man kaum noch als solche werten konnte. Besonders ist mir die „Bobbycar-Affäre“ im Gedächtnis geblieben, nach der Wulff ein Bobbycar, das ihm für seinen Sohn geschenkt worden war, nicht hätte annehmen dürfen. Dieses Aufdecken von Vorwürfen ist natürlich eine Art von Kontrolle und das ist durchaus wünschenswert, da Kontrolle der Politik in der modernen Demokratie durchaus eine Aufgabe der Medien ist und diese auch schützt, allerdings sollte die nicht ad absurdum geführt werden. Schließlich bekommen auch andere Leute Bobbycars geschenkt oder mal ein Getränk ausgegeben. Aber nicht jeder bekommt einen Privatkredit, der dem Kreditgeber auch noch große wirtschaftliche Vorteile bringen kann. Insofern haben die Medien in der Wulff-Affäre nicht grundsätzlich falsch gehandelt. Es ist durchaus wünschenswert, dass das Amt des Bundespräsidenten nicht mehr unantastbar auf einer Wolke über Berlin schwebt. Man könnte also sogar Vorteile aus der Affäre ziehen. Andererseits kann es nicht sein, dass die Medien zu mächtig werden. Gräbt man lange genug, kann man in jedem Garten eine Leiche finden. Irren ist menschlich, Fehler auch. Doch normalerweise beherrscht der Fehler eines Menschen nicht die ganze Medienlandschaft eines Landes. Normalerweise ist der Verursacher des Fehlers aber auch nicht Bundespräsident, was die Frage nach der Verantwortung nach sich zieht, die man sich in einer solchen Position grundsätzlich stellen sollte. Schließlich sollte man sich seiner Position in solchen Ämtern stets bewusst sein und sich dementsprechend verhalten. Die viel besprochene „Salami-Taktik“ ist dort durchaus nicht der richtige Weg… Wo waren die Presseberater Christian Wulffs, frage ich mich immer wieder? Dass man als Bundespräsident nicht bei der Bild-Zeitung anrufen sollte, um einen Artikel zu verhindern, dürfte doch eigentlich jedem klar sein und auch, dass das die Medien erst recht wütend macht und eine ausgeprägte, nicht unbedingt freundliche, Berichterstattung nach sich zieht. Zeitungen mögen nämlich verschiedene politische Richtungen haben, doch ist es nur logisch, dass sich die Medien allgemein wehren, wenn man sie selbst angreift.

Ich denke die Wulff-Affäre macht eindrucksvoll deutlich, dass die Demokratie heutzutage ohne medialen Einfluss nicht mehr funktioniert und dass sich die Politik mehr und mehr die Frage stellen muss, wie sie mit der Macht der Medien umgeht und dass selbst der Bundespräsident mittlerweile nicht über den Medien steht. Im positiven, wie im negativen Sinne.

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