Lachen ist gesund – aber nicht vor Flutopfern

Seit dem 14. Juli sorgen Hochwasser in West- und Mitteleuropa für immer mehr Flutkatastrophen, in Deutschland sind unter anderem Rheinland-Pfalz, Bayern und vor allem Nordrhein-Westfalen betroffen. Die politische Antwort auf das Desaster war zu großen Teilen selbst ein Desaster, und könnte entscheidend dafür sein, wie es in der Zukunft für das Land weitergeht.

Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Kanzlerkandidat der CDU für die kommende Bundestagswahl im September, Armin Laschet, war zunächst gar nicht in seinem Bundesland, als die Probleme begonnen haben. Stattdessen war er auf Wahlkampftour in Süddeutschland. Erst eine Weile nach den ersten Berichten über das Ausmaß der Fluten kehrte er zurück, um sich die Lage anzusehen und bald darauf ein Interview auf BILD-TV zu geben. Ob er vor Ort viel helfen konnte, bleibt fraglich: Von der Flut betroffene Anwohner durften nicht in seine Nähe, während er Reden hielt und Interviews gab, und von Rettungskräften hörte man, sie müssten ihre Hilfe pausieren, bis der Politiker weiterzog.
Trotzdem wird Laschets Besuch den Leuten wohl in Erinnerung bleiben, aber wegen etwas, das er heimlich machen wollte. Bundespräsident Steinmeier, der auch nach der Wahl dieses Amt für die SPD besetzen möchte, traf sich mit Laschet in dessen Bundesland, um gemeinsam mit den Betroffenen zu sprechen. Am 17. Juli hielt Steinmeier eine Rede vor einigen Einwohnern des Katastrophengebiets und sprach sein Beileid für alle Flutopfer, vor allem die Verstorbenen aus, deren Zahl wird inzwischen auf etwa 150 geschätzt. Schlagzeilen machte die Rede nicht wegen der Rhetorik des Bundespräsidenten, sondern weil die Kameras Laschet dabei aufzeichneten, wie er im Hintergrund mit seinen Parteikollegen herzlich lachte.
Dies ging international durch die Presse, und wird allen anderen Ländern in Erinnerung bleiben, falls Laschet im Herbst trotz klarem Fehlen von Respekt und Taktgefühl Kanzler werden sollte. Schon zuvor stand seine Fähigkeit, auf der Weltbühne zu bestehen, infrage, da er sich auch kaum gegen Parteikollegen wie Markus Söder oder Gegner in Talkshows wie Luisa Neubauer durchsetzen konnte. Nun dürfte allen klar sein, dass er Deutschland nicht halb so viel Respekt bringen würde wie seine Vorgängerin Angela Merkel es tat. Lippenleser scheiterten daran, zu entziffern, worüber Laschet und seine Partner sich auf dem Video so kaputtgelacht haben, doch unabhängig davon, was sie amüsiert hat, dürfte klar sein, an den Opfern der Katastrophe im eigenen Bundesland hatte Laschet kein Interesse, ihre Gefühle und Lage waren ihm in diesem Moment egal.
Später am gleichen Tag, als das Video begann, in den Nachrichten aufzutauchen, schrieb Laschet eine vorgeschobene Scheinentschuldigung mit dem Wortlaut, er bedauere den Eindruck, der entstanden sei. Entschlüsselt bedeutet das, er bedauert gerade nicht, gelacht zu haben, sondern nur, wie die Leute das fanden. Er bereut nicht sein unangemessenes Handeln, lediglich bereut er, erwischt worden zu sein. Ob Laschet sich wegen diesem Vorfall nun mehr für das Leid seiner Bürger interessiert, ist zu bezweifeln, er wird wohl nicht aufhören, zu lachen, sondern nur zukünftig auf Kameras achten.
Schließlich haben auch schon die von seinem Sohn vermittelten Masken-Deals der CDU, die Lügen im Bezug auf den Hambacher Forst, das Schließen der Stabstelle Umweltkriminalität in seiner Landesregierung zum Schutz der Parteikollegen, gegen die ermittelt wurde, und die konstanten Falschaussagen über Zustand und Leistung seines eigenen Landes ihn nicht zum Umdenken gebracht. Das Dulden von verfassungsfeindlichen Ansichten in seiner Partei getragen durch Vertreter wie Maaßen und De Vries, die selbstangezeigte Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit seinem von Anderen geschriebenem Buch und das Würfeln von für Studenten lebensentscheidenden Noten zur Vertuschung des eigenen Fehlers haben nicht verhindert, dass er in Umfragen für die Bundestagswahl weiterhin führt. Wird das Lachen über Flutopfer jetzt der Fehler sein, der an ihm kleben bleibt?
Vielleicht gerade darum, weil es nicht die letzte Enthüllung war, die international die Runde macht. Inzwischen konnte festgestellt werden, dass die Regierung schon Tage bis Wochen vor der Katastrophe zuverlässlich vor der Flut gewarnt wurde. Die meisten Bürger wussten vom Ausmaß des Wetterereignisses nichts. Vorsorge getroffen wurde keine, der zuständige Ministerpräsident lies sich trotzdem nicht in seiner Wahlkampftour unterbrechen, bis es zu spät war. Diese Fehlreaktion wird nun vielen Politikern, unter anderem auch Innenminister Horst Seehofer von der CSU, angelastet, die Erklärungsversuche scheinen bisher wenig dazu beizutragen, die Bevölkerung und die Welt zu überzeugen, dass alles Mögliche getan wurde, um die Opfer zu verhindern.
So können die Ereignisse die kommende Bundestagswahl tatsächlich noch mehr beeinflussen als erwartet. Früh schon wurde erwartet, dass die Ausmaße der Wetterextreme Leute überzeugen wird, nicht mehr auf die zu geringe Klimapolitik der CDU zu vertrauen und die Grünen zu unterstützen, welche konkrete Pläne vorlegen, um den Betroffenen zu helfen, das Land für solche Ereignisse besser vorzubereiten und die Probleme an der Wurzel zu bekämpfen. Klimawandel steht im mittelbaren Zusammenhang mit Hochwasser und erhöht ihre Wahrscheinlichkeit, weswegen dies ein weiterer guter Grund ist, um mehr in Klimaschutz zu investieren. Die zerstörerischen Fluten führen vor Augen, was passiert, wenn nicht genug für den Klimaschutz getan wird, wie es unter den letzten 16 Jahren CDU-Regierung war.
Wie also schlagen sich Laschets Konkurrenten derweil? Sie sind ebenfalls in den betroffenen Gebieten, allerdings mit weniger medialer Aufmerksamkeit. Annalena Baerbock, die Kanzlerkandidatin der Grünen, erklärte, dass dies eine bewusste Entscheidung war, um sich auf die Opfer, mit denen sie sich traf, konzentrieren zu können, sie verbreitete unter anderem Wege für alle Bürger, den Betroffenen der Flut zu helfen und teilte ausführliche Pläne, wie sie als Kanzlerin die Bevölkerung besser schützen will. Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der SPD betonte sein Mitgefühl für alle Opfer und hat sich dafür eingesetzt, dass die Bundesregierung ihnen großzügige Geldhilfen zukommen lässt, auch den Zusammenhang mit dem Klimawandel hebt er hervor.

Wie sich das Geschehene in den nächsten Tagen noch entwickelt und welche Auswirkungen es auf die Wahlen im September haben wird, bleibt abzuwarten. Während das nachkommende Wasser aufgehört hat, stehen die Reparaturen im Katastrophengebiet noch am Anfang. Aber unbeschadet kann Laschet dieses Mal nicht mit seinen Fehlern davon kommen.

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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