Homophobie und Rassismus – Schatten der EM

Vom Auftaktspiel der Türkei gegen Italien bis hin zum Finale von England gegen Italien hat die Fußball-Europameisterschaft in den letzten Wochen zahllose Fans in Atem gehalten, bis das Land, welches auch schon den Eurovision Song Contest gewonnen hatte, letztlich im Wembley-Stadion die Heimmannschaft im Elfmeterschießen schlagen, und den Pokal mit nach Hause nehmen konnte. In der Zwischenzeit dominierte der Fußball immer wieder die Schlagzeilen, zum Beispiel wegen dem knappen Vorrücken des deutschen Teams ins Achtelfinale oder dem langen Durchhalten des Underdogs Dänemark. Aber auch wegen anderen Themen, vorrangig wegen Corona-Infektionen in den Stadien, dem Verbot der LGBT-Symbole und den rassistischen Angriffen auf die Spieler.

Ursprünglich sollte die EM 2021 ja die EM 2020 sein, doch wegen Hygiene-Vorschriften musste sie verschoben werden. Die Pandemie ist in Europa noch nicht vorüber, doch dieses Jahr hat die Union of European Football Associations (UEFA) genug Druck machen können, um ihre Massenveranstaltung abzuhalten, und das ganze ohne Abstands- oder Maskenregeln, die an den meisten anderen Orten noch gelten. Der Grund dafür ist natürlich offensichtlich: Geld. Und während vor jedem Spiel erneut über die hohe Infektionsgefahr in den Stadien gesprochen wurde, dauerte es nicht lange bis zu den ersten Meldungen, dass sich tausende Fußballfans gegenseitig angesteckt hatten. Gerade die Spiele in England, wo die neue Delta-Mutation des Virus Überhand genommen hat, dürften die Pandemielage langfristig verschlechtert haben, mit den Folgen davon wird im Herbst umzugehen sein.
Und trotz der Pandemie sind die Mannschaften von Land zu Land gereist, so kam unter anderem das ungarische Team nach Deutschland, um in München das entscheidende Spiel der Gruppenphase auszutragen. Der Staatschef von Ungarn, Viktor Orban, hatte kurz zuvor ein Gesetz erlassen, welches Bücher, Broschüren, Aufklärungskampagnen und Werbung, die eine andere Familie als Mutter-Vater-Kind zeigen, verbietet. Auch Darstellungen von Homo- und Trassexualität werden untersagt, besonders in Schulen, die Rechte der betroffenen Minderheiten werden stark beschränkt. Als Zeichen der Solidarität mit den vom Gesetz Betroffenen wollte die Regierung der Stadt München das Stadion für’s Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben leuchten lassen, um die Flagge der LGBT-Bewegung abzubilden. Eine große Debatte brach los, als die UEFA dies nicht gestattete, wohl um die Orban-nahen ungarischen Kontakte nicht zu verärgern. Zu Beginn nutzte der Veranstalter noch als Ausrede die Behauptung, Sport und Politik seien strikt zu trennen, später traf es bei anderen Spielen die Entscheidung, die LGBT-Flaggen im Stadion zu verbieten, und zeigte mit dieser eigenen politischen Entscheidung, dass es letztlich darum ging, LGBT-Repräsentation vom Turnier auszuschließen.
Menschen mit anderer Sexualität sollten leider nicht die einzige diskriminierte Minderheit der EM bleiben. Im Finale von Italien und England verschossen die drei nicht-weißen Spieler letzterer Mannschaft je ihren Elfmeter und konnten darum ihrem Land nicht den Titel holen. Die englischen Fans, welche zuvor durch Buhrufe während der Nationalhymnen ihrer Gegner und Verbindung der deutschen Fans und Spieler mit Nationalsozialisten auffielen, waren schnell, es auf ihre Hautfarbe zu schieben und rassistisch gegen die eigenen Spieler zu hetzen. Die Fälle häuslicher Gewalt und Angriffe auf nicht-weiße Engländer gingen rasant in die Höhe. Mehr als nur ein Warnzeichen, wie präsent Gewaltbereitschaft, Rassismus und Nationalismus beim Fußball noch immer ist. Letztlich ist ein verlorenes Spiel nur der vorgeschobene Grund, den Hass auszulassen, den man bereits vorher in sich trägt.

Im Nachhinein wurde die diesjährige EM für viele spannende Spiele und unerwartete Aufstiege von unterschätzten Mannschaften gelobt, doch was ein freundschaftliches Zusammenkommen hätte sein sollen, wird überschattet von Bildern der Unvorsichtigkeit, des Streits, der Diskriminierung und des Hasses, letztlich auch der Gewalt. Ob die vielen Infektionen das Geld für die UEFA wert waren, ob das Ausschließen der LGBT-Community eine unpolitische Entscheidung war, ob die Verbrechen nach der Niederlage Englands Einzelfälle waren, das wird wohl alles verneint werden müssen. Und Hoffnung auf Besserung? Die kommende Fußballweltmeisterschaft 2022 soll in Katar stattfinden, unter Klimabedingungen, die das Spielen erschweren, und in einem Stadion gebaut unter schlechten Arbeitsbedingungen, in einem Land, das für Menschenrechtsverletzungen und die strafrechtliche Verfolgung von Homosexualität in der Kritik steht. Also keine gute Ausgangslage. Für das Aufhalten der vielen Skandale um den Fußball herum braucht es entweder Vorschriften von den Regierungen der teilnehmenden Länder oder maßenhaften Boykott, damit es vorteilhafter für die Veranstalter wird, etwas zu ändern. Aber leugnen lassen sich die Probleme nicht mehr, und wenn der Fußball sein Ansehen behalten will, muss man sie angehen.

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=x_0v4d5w7l4

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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