Das Klimapaket der Bundesregierung – Wir retten die Welt! …vielleicht, so ein bisschen…

Abermillionen Demonstranten, Forscher und Experten haben es in den letzten Monaten und Jahren mehr als deutlich gemacht: Die Eindämmung des Klimawandels ist eine der größten und wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit. Es braucht individuellen Einsatz, doch vor allem politische Maßnahmen, um den Planeten zu schützen. Und nach langem Drängen hat das neu gegründete Klimakabinett der deutschen Bundesregierung am Freitag, den 20.09.19, endlich eine Sammlung an Plänen verabschiedet, welche dazu führen sollen, dass wir das Pariser Klimaschutz-Abkommen einhalten. Doch es scheint nicht so, als würden die neuen Beschlüsse tatsächlich dazu beitragen.

Schon allein über die Art, wie die Maßnahmen beschlossen wurden, lässt sich streiten. Obwohl das Thema monatelang debattiert wurde, scheinen die letzten wichtigen Entscheidungen erst kurz vor knapp in einer langen Nachtsitzung am Donnerstag, den 19.09 um etwa 22:00 Uhr getroffen worden zu sein. Im Voraus haben Politiker der beiden Regierungsparteien CDU und SPD ihre Pläne in Talkshows und Interviews hochgelobt und verteidigt, ohne tatsächliche Zahlen nennen zu können. Vielfach wurde kritisiert, erst so spät genaue Pläne vorzulegen, die dann auch noch inhaltlich enttäuschen wie eine im letzten Moment erledigte Hausaufgabe. Sicher ist das Klimapaket nicht eine solche, doch es hält den Nachrechnungen genauso wenig stand.

Der im Voraus am meisten diskutierte Programmpunkt ist die höhere Besteuerung von CO2 gewesen. Worauf die Große Koalition sich nun geeinigt hat sind 10€ pro Tonne CO2 im Jahr 2021. Die Auswirkungen auf Benzin- und Dieselpreise sind damit überschaulich, und werden sich laut den Angaben des Mineralölwirtschaftsverbandes auf etwa 3 Cent pro Liter belaufen. Vier Jahre später wären es etwa 10 Cent mehr, was eine geringere Steigerung ist als durch Änderung der Fördermengen auch ohne politische Richtlinien möglich wäre.
Die Kfz-Steuer soll ab 2021 „hauptsächlich“ auf die CO2-Emissionen des Autos pro Kilometer bezogen werden, was bisher kaum der Fall war. Die einzige genaue Angabe, welche die Vorlage macht, ist allerdings, dass ein Ausstoß von 95 Gramm CO2 und weniger nicht besteuert werden soll. Ansonsten bleiben die Aussagen mehr als ungenau, weswegen nicht klar ist, ob und wie das helfen wird.
Gleichzeitig will die Regierung die Preiserhöhung nicht auf Kosten der Leute geschehen lassen, die wegen Entfernung zum Arbeitsort und schlechtem öffentlichen Nahverkehr auf ihr Auto angewiesen sind. Sie erhöht also die Pendlerpauschale ab dem 21. Entfernungskilometer von 30 auf 35 Cent. Über 100km wird man damit als Pendler trotz erhöhter Kraftstoffpreise über 4€ Gewinn machen. Darum ist es mehr als zweifelhaft, ob irgendwer wegen dieser Maßnahmen weniger sein Auto benutzen wird.

Aus den bisher rund 100.000 Elektro-Autos auf Deutschlands Straßen sollen bis 2030 sieben bis zehn Millionen werden. Das erinnert zunächst an den alten, mehr als verfehlten Plan von Kanzlerin Angela Merkel, bis 2020 eine Million E-Autos in Deutschland zu verkaufen. Damit es dieses Mal besser klappt, soll die von Bund und Autoherstellern gezahlte Kaufprämie für batterieelektrische, Hybrid- und Brennstoffzellenautos 2021 erhöht werden – jedoch nur für Pkw mit einem Preis von unter 40.000€.
Die Erhöhung der Kaufprämie für batterieelektrische Autos wird im neuen Papier nicht mehr erwähnt. Es ist nun fragwürdig, ob sie, wie in Vorgängermodellen vorgeschlagen, um einen Faktor von 1,5 gesteigert wird. Stattdessen soll jetzt als Kaufanreiz eine Verringerung der Dienstwagensteuer für reine E-Autos dienen. Es müssen bald nur noch 0,25% des Anschaffungspreises als Einkommen versteuert werden. Für Pkw mit Verbrennungsmotoren ist es 1%.
Wichtig sind vor allem die Ladepunkte für Elektro-Autos, da ein Mangel an Auflademöglichkeiten bisher oft als Argument gegen jene verwendet wurde. Das Ziel der Bundesregierung ist es, 2030 deutschlandweit eine Million Ladestationen zu haben, auch in Betrieben und privaten Haushalten. Um das zu erreichen, sollen alle Tankstellen bald verbindlich auch Ladepunkte anbieten.

Das klingt zunächst ganz schön, aber natürlich machen E-Autos keinen Sinn ohne sauberen Strom. Und dazu ist im Klimapaket peinlich wenig zu finden. Lange war eine Pro-Kopf-Auszahlung des Klimageldes zur Senkung der Strompreise im Gespräch , doch die neuen Maßnahmen sehen eine solche nicht mehr vor. Stattdessen profitieren quasi alle Bürger von einer minimalen Preissenkung, die mit dem durch die CO2-Bepreisung erhaltenen Geld finanziert werden soll. Diese Entlastung beläuft sich auf 0,25 Cent pro Kilowattstunde in 2021 und 0,625 Cent in 2023. Um in Vergleich zu stellen, wie wenig das ist: Im Durchschnitt zahlt ein Privathaushalt etwa 30 Cent pro Kilowattstunde.

Umso wichtiger sind also Alternativen zum Auto. Diesbezüglich senkt die Regierung die Mehrwertsteuer auf Bahntickets von 19% auf 7%, und diese Entlastung möchte die Bahn gänzlich an die Reisenden weitergeben. Die Tickets würden so rund 10% günstiger. Ein weiteres Problem für die Zugreisenden ist das mangelhafte Schienennetz in Deutschland, so möchten Bund und Deutsche Bahn in den nächsten zehn Jahren bis zu 86 Milliarden Euro in die Infrastruktur investieren. Regionalverbindungen sollen von den einzelnen Landesregierungen überarbeitet werden, um die Ankunftszeiten und Orte der Züge besser aufeinander abzustimmen. Dafür sollen die Länder vom Bund Geld erhalten, Zahlen sind aber auch hier nicht vorgegeben. Die Verschuldung der Bahn soll gleichzeitig jährlich mit einer Milliarde Euro an Eigenkapital bekämpft werden.
Verkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU schätzt den Preis für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets auf 400 Millionen Euro im Jahr. Dieses Geld will er durch eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe wieder einholen. Diese beträgt momentan noch mindestens 7,38€, bald sollen es 23,05€ bis 41,49€ je nach Fluglänge sein. Desweiteren werden die Flugpreise durch eine Verhinderung von Dumping-Angeboten erhöht, so dürfen die Tickets nicht mehr unter einem Preis der Steuern und Gebühren verkauft werden.

“Jede und jeder soll sich die Bekämpfung des Klimawandels leisten können”, das war das Ziel der CDU bei den Maßnahmen. Das ist der Hauptgrund, warum lieber zu schwache Änderungen beschlossen wurden als solche, die zwar funktionieren, aber den Bürger viel kosten könnten. So ist es bei den Benzinpreisen, und so wirkt es auch bei den Plänen für einen Heizungswandel.
Über Steuern soll Gebäudesanierung gefördert werden, KfW-Programme und das Marktanreizprogramm für Wärme aus erneuerbaren Energien werden in einer Bundesförderung für effiziente Gebäude zusammengeführt, und ein Antrag könne genügen, um das Geld für die Umstellung zu erhalten. Der Haken an diesem Plan: Bis 2023 werden die energetischen Standards für Heizen nicht erhöht. Ein Verbot vom Einbauen reiner Ölheizungen ist für 2026 angedacht, Hybridheizungen scheinen noch wesentlich länger als Übergangslösung gehandelt zu werden.

Während Regierungspolitiker beider Parteien das Klimapaket als “großen Wurf” (Olaf Scholz, SPD-Finanzminister und Vizekanzler) und “zukunftsweisend” (Annegreth Kramp-Karrenbauer, CDU-Verteidigungsministerin und Parteivorsitzende) loben und sich dafür feiern, sind sich die Wissenschaftler größtenteils schon einig: Diese Pläne werden nicht ausreichen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen, und es ist nicht zu erwarten, dass damit der Klimawandel aufgehalten wird. Die Partei der Grünen plant bereits, im Bundestag die Vorlage zu bekämpfen, um härtere Maßnahmen zu erwirken, und die “Fridays For Future”-Bewegung, welche am Tag der Verkündigung des Papiers schon weltweit Generalstreiks abgehalten hatte, besteht weiterhin auf verlässlichere Antworten auf die Klimakrise.

Doch vielleicht markiert dieses Maßnahmenpaket nur den Anfang der neuen Klimapolitik der deutschen Bundesregierung, und es werden mit der Zeit mehr Pläne auf den Tisch kommen, mehr Verhaltensänderungen der Politiker erkennbar sein, mehr von den Wissenschaftlern angeratene Ideen umgesetzt? Unwahrscheinlich – dagegen spricht schonmal, dass nur zwei Tage später das Kanzleramt Frau Kramp-Karrenbauer bat, getrennt von Merkel und ihren Begleitern in die U.S.A. zu fliegen, aus bisher unbekannten Gründen, was schon wieder zu unnötiger Umweltbelastung durch mangelhafte Planung der Politiker führt.
In einer Welt, in welcher der brasilianische Präsident Bolsonaro den Regenwald abbrennen lässt, um seine Wirtschaft zu stärken, und Trump als Präsident der U.S.A. verhindert, dass sein Land die Emissionen von Autos verringert, weil er mit der Qualität unzufrieden ist, bleibt unklar, wie lange wir uns halbherzige Maßnahmen noch erlauben können. Unabhängig davon, wer uns international folgt, braucht es jetzt so bald wie möglich klare Veränderung der Klimapolitik, keine weiteren Zögerlichkeiten. Das Paket der Bundesregierung erfüllt diese Hoffnung eindeutig nicht.

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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