BBCs Sherlock – die Rückkehr des Meisterdetektivs

In diesem Jahr erschien die vierte Staffel der BBC-Serie Sherlock – letztere wurde erstausgestrahlt am 25. Juli 2010 – endlich im deutschen Fernsehen. Die modernste Auflage von Arthur Conan Doyles berühmten Meisterdetektiv, hier gespielt von Benedict Cumberbatch, hat die Fans über die Jahre hinweg immer wieder begeistern können, und nicht ohne Grund.
Nach der Idee von Mark Gatiss und Steven Moffat und mit der Unterstützung von Stephen Thompson wurde das Skript für dreizehn Episoden über jeweils 90 Minuten geschrieben. Verpackt in vier Staffeln und eine Spezialepisode wurden diese in den letzten acht Jahren veröffentlicht. Der bestimmt allen bekannte Sherlock Holmes ermittelt im modernen England gegen die größten Kriminellen unserer Zeit, unterstützt vom ehemaligen Militärarzt John Watson (Martin Freeman), mit dem er sich eine Wohnung teilen muss. Cumberbatch stellt Sherlock selbstgefälliger denn je dar – der Detektiv sieht sich mit seinem Verstand über allen in seiner Umgebung und genießt es, sie daran zu erinnern. Besonders Scotland Yards Inspektoren wie Greg Lestrade (Rupert Graves), mit denen Sherlock zusammenarbeiten muss, leiden darunter. Dieses Verhalten bringt ihn ebenso oft in Schwierigkeiten wie seine Widersacher, die Kunden des “Consulting Criminals” Jim Moriarty (Andrew Scott), welcher bald ein Spiel um Leben und Tod mit ihm anfängt.
Die ersten beiden Folgen bauen Sherlock und John als Charaktere, als Detektei und als Duo gut auf, beginnend bei ihrem ersten Treffen bis zu dem Punkt, an dem sie routiniert zusammenarbeiten. In der dritten Folge beginnt Moriarty als Hauptantagonist das Spiel mit Sherlock, endend mit einem Cliffhanger als Überleitung in die nächste Staffel. In dieser sieht man die beiden Hauptcharaktere als Freunde, die gemeinsam Moriarty die Stirn bieten wollen. Staffel 3 bietet dann besonders emotional und menschlich viele interessante Einblicke, was den soziopathischen Sherlock vor enorme Herausforderungen stellt. Zuletzt erweist sich Staffel 4 als dramatischste, sowie spannendste und konfliktvollste, das Ende lässt einen mit einer breiten Palette an Eindrücken,von Verwunderung, über Mitleid bis zur Begeisterung zurück.
Die Serie weist drei entscheidende Stärken auf: Als erstes wären da ihre Holmes-typischen unglaublichen, verstrickten und spannenden Fälle, Rätsel und Geschichten, deren Wahrheiten hinter den ersten Eindrücken schön verstreut und versteckt werden und sich langsam von Verwirrung bis zur spannenden Auflösung aufbauen, dabei sind Einblicke in Sherlocks Gedanken und seine Deduktion ein schönes Mittel, um den Aufbau des Plots nicht nur verständlicher zu machen, sondern auch beim Zuschauer zur Auflösung eine Spannung aufzubauen und ihn zu einem – meist chancenlosen – Miträtseln zu bewegen. Nicht nur die kleinen einzelnen Geschichten, sondern auch vorallem über mehrere Folgen aufgebaute Plots wie Rotbart sind genial und spannend aufgebaut – wie ein Lestrade wird man von der unerwarteten Wendung überrascht und mitgerissen.
Zum zweiten wäre da der Humor, menschliche Interaktionen und Situationskomik bringen einen oft zum schmunzeln, besonders da die besonderen Persönlichkeiten und Lebensweisen ihrer Figuten dafür von der Serie stets gefällig ausgenutzt werden. Es gibt einige recht komische Szenen, die neben den spannenden und ernsten Teilen der Geschichte auflockernd wirken und die Unterhaltung abwechslungsreicher gestalten.
Der dritte Punkt sind, und das ist wahrscheinlich Sherlocks’ größte Stärke, die Charaktere der Serie. Jeder ist einzigartig, hat eine recht eigene Art und auch wenn sie teilweise bewusst klischeehaft sind, so sind sie vorallem faszinierend und auch abnehmbar, trotz ihrer eigentlich unglaublichen Persönlichkeiten. Ob man die – teils doch sehr wie Freaks wirkenden und teils vollkommen menschlich und normal, fast schon bekannt vorkommenden – Hintergrundfiguren, die zwar kaum eine Minute Spielzeit haben, aber trotzdem sofort einen Eindruck hinterlassen, die Nebenfiguren, wie Lestrade, die trotz untergeordneten Rollen im Gedächtnis bleiben und einen ganz klaren Menschen darstellen, die komplexen Hauptfiguren und ihre noch komplexeren Beziehungen zueinander oder die wichtigen Schurken, die alle mit einer eigenen Mischung aus Charm, Wahnsinn, Eigennützlichkeit und Widerwertigkeit perfekte Beispiele für das Faszinirende am Bösen darstellen, ansieht – Sherlocks Charaktere bilden seine Kernessenz. Vom loyalen sowie verletzten und sehr menschlichen John, über die liebenswerte und unsichere, aber trotzdem nicht “schwache” Molly, den genialen und absonderlichen, aber auch arroganten, unfreundlichen und doch sympatischen Herausforderungs-Junkie Sherlock oder Moriarty, der zynisch-locker und doch bitterböse ernste Wahnsinnige, alle werden ihrer Rolle gerecht.
Weitere lobenswerte Faktoren, die zum Gesamtbild beitragen, sind Setdesign, Musik und Schauspiel. Es ist eine qualitativ hochwertige Produktion, die technisch und inhaltlich mit Spitzenleistungen punkten kann, die teilweise recht namenhaften Beteiligten tun ihren jeweiligen Funktionen und Rollen alle Ehre. Auch die Liebe zum Detail sei erwähnt. Diese zeigt sich nicht nur in den wunderbaren Sets, sondern vorallem in den unzähligen Hommagen, Anspielungen, Entlehnungen und Ehrerweisungen an die lange Geschichte Holmes und der zahlreichen vorherigen Werke zum Archetypen des genialen Detektiv.
Ziel war offenkundig die Modernisierung der klassischen Geschichte. Wie aus dem korrupten Mathematikprofessor ein “trendiger” Businessman wurde und aus der Schauspielerin eine professionelle Domina, wie Sherlock die technischen Mittel der Neuzeit auf seine eigene Art nutzt und die Gesellschaft bzw. was man von ihr sieht sich anpasst macht regelmäßig Eindruck. Das ist zweifellos gelungen, sodass man es an keiner Stelle für vor unserer Zeit halten würde. Während vieles auf den Buchvorlagen und älteren Umsetzungen basiert, ist das, was die Serie an neuem einbringt, perfekt in die Handlung integriert und auch für Kenner der Vorlagen erfrischende Interpretation der Geschichten, die so viele kennen und lieben.
Die bisher letzte Folge, 4.3, stellt einen runden Abschluss für die Serie dar. Obwohl Mark Gatiss und Steven Moffat wohl noch Ideen haben und vom BBC sowie den Zuschauern sicher Interesse an einer fünften Staffel bestehen würde, ist es fraglich, ob und wann eine solche mit so vielbeschäftigten Darstellern wie Cumberbatch und Freeman möglich wäre. Sollte die nicht möglich sein wirkt die Serie nicht unbeendet, aber gleichzeitig verschließt sie die Tore nicht vollkommen für eine Staffel 5. Natürlich ist Sherlock etwas, zu dem man immer weitermachen kann, wenn genügend Leute Interesse zeigen. Es gibt noch unzählbare Vorlagen, die sie modernisieren können, und sicher würden alle Fans das begrüßen, solange es nichts geschlossenes aufreißt.

Justin Löwe

Ich bin seit inzwischen neun Jahren als Jugendreporter unterwegs, stand schon mehrmals in der NOZ und möchte hier den Leuten mit möglichst hochwertigen Berichten die Interessen der jüngeren Generation näherbringen.

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